Grün-As

Sieg des rechten Winkels in Grünau

Erbauer-Stammtisch tagte

Am 7.11.01 luden die Volkshochschule Leipzig und der Komm e.V. zum Erbauer-Stammtisch in die neuen Räume des Komm-Hauses ein. Klaus Ober, Dietrich Wellner, Siegfried Schlegel und Bernd Puckelwaldt, die zu den Erbauern Grünaus gehören, begeisterten die Zuhörer im voll besetzten Raum mit ihren Geschichten und dem mitgebrachten Material (Broschüren, Wandzeitungen, Dias, Fotos usw.)zur Entstehung Grünaus vor 25 Jahren. Die Erbauer berichteten von der Änderung der technischen Bauvorschriften beim Bau der 6- Geschosser. Diese waren eigentlich als 5-Geschosser vorgesehen, benötigten also keinen Fahrstuhl. Ab dem 6. Geschoss hätte eigentlich ein Fahrstuhl angebaut werden müssen, wofür aber die Ressourcen fehlten.

Für den Bau Grünaus standen 11 000 verschiedene vorgefertigte Elemente zur Verfügung, von denen jedoch 8000 nicht kompatibel waren. Welche Auswirkungen dies haben konnte, kann man heute noch im WK 8.3 bewundern: Die Elemente an den beiden Schulen (99./100. Schule) wurden bei der Montage vertauscht, so dass sich die »Kunst im öffentlichen Raum« an der von der Straße abgewandten Seite befindet, also gar nicht zu sehen ist. Interessant auch die Geschichte, wie die Bauleute die Idee zum Bau eine SED-Kreisleitung im Wohngebietszentrum Grünaus (heute steht hier das Allee-Center) verhinderten. Sie argumentierten u.a. damit, dass angesichts der vielen Wohnhäuser ein ungestörtes Arbeiten der Genossen nicht möglich sei.

Bild Auch andere Länder und Städte interessierten sich für die Montagebauweise in Grünau: Es gab u.a. Kontakte nach Portugal, Hamburg, Kiew…
Bei den Berichten über unfertige Straßen, Schlammlöcher und abenteuerlichen Wegen zur Kaufhalle schmunzelten viele der Gäste und nickten zustimmend. Das hatten einige von ihnen noch miterlebt. So versank einmal eine Frau im Schlammloch und konnte nur noch von der Feuerwehr gerettet werden. Weil ein Montagekran den Fußweg belegte, konnten die ersten Bewohner/innen auch schon einmal nur durch die Gaststätte in die Kaufhalle gelangen.

Ursprünglich waren für Grünau lediglich 22000 Wohnungen vorgesehen, gebaut worden sind 38000. Es wurde »nachverdichtet«. Im WK 8 z.B. entstanden 2100 Wohnungen mehr als geplant. Die Erbauer berichteten, dass ihnen sogar von verschiedener Seite Vorwürfe gemacht wurden, weshalb sie in den WKs 1 bis 3 so viele Freiflächen ließen. Hier schlugen sie denn auch einen Bogen zur aktuellen Diskussion: Geplant war Grünau viel luftiger und weiter, so dass Umbauideen auch hieran anknüpfen könnten.

Erstaunen riefen auch die Dias von Dietrich Wellner zu den Entwürfen des städtebaulichen Wettbewerbes hervor. In den Arbeiten wurde mit Formen gespielt: Wellen und Rundungen waren leider nur im Modell möglich und technisch eben nicht realisierbar. So setzte sich in Grünau der rechte Winkel durch. Doch speziell für Grünau wurden die sogenannten Dienstleistungswürfel entwickelt.

Die Entwicklung ging rasant voran. In den 90er Jahren kamen Massa, Teppich-Korn, allkauf, Banken usw. mit ihren Provisorien nach Grünau. Die Stadt versuchte, möglichst viele Händler in der Stuttgarter Allee zu konzentrieren, um diese als Einkaufsstraße ins Bewusstsein rücken zu lassen. Und betrachtet man heute Grünau hat sich doch eine Menge im Positiven verändert, auch wenn noch viel zu tun bleibt.

An diesem Abend konnten nicht alle Geschichten zur Geschichte Grünaus erzählt werden. Deshalb wird es - auch auf Bitten der Zuhörer/innen - eine Fortsetzung geben. Unter der Überschrift »Moderner Neubau oder alte Platte?« kommen am 9.1.02, 19.00 Uhr im Kontaktladen (Nelkenweg 33) die Erbauer Grünaus erneut zu Wort und ins Gespräch mit den Bewohner/innen von Leipzigs größtem Stadtteil.

Dr. Sylvia Börner
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