Grün-As

Wie sicher können Sie sich fühlen?

Wo viele Menschen zusammenkommen, wird kriminelle Energie frei. Das ist in Grünau nicht anders, als anderswo. Wer den Klischees aber glaubt, in Grünau gebe es mehr davon, den belehrt die Polizei schnell eines Besseren - zumindest deren Statistik. Wie diese für das vergangene Jahr aussieht, lässt sich allerdings erst im Frühjahr sagen. Die Eingliederung einiger Gemeinden zu der Stadt Leipzig in den letzten Jahren macht einen genauen Vergleich schwierig. Eines lässt sich jedoch mit großer Genauigkeit sagen: Die Zahl der Vergehen, Delikte und Verbrechen in Leipzig hat zuletzt wieder abgenommen. Zwar wurden im Jahr 1999 10.000 strafbare Handlungen mehr begangen als noch zwei Jahre zuvor mit insgesamt 70.477. Im Jahr 2000 jedoch bewegte sich die Zahl der strafbaren Handlungen mit »nur« 69.641 wieder unter dem Stand von 1997. Gleichzeitig gelang es der Polizei, deutlich mehr Fälle aufzuklären: Wurde 1996 gut jeder dritte Fall aufgeklärt, war es im Jahr 2000 schon nahezu jeder zweite.

Für die Sicherheit der Leipziger ist also ein positiver Trend auszumachen. Dies gilt auch für den Bereich Grünau - eines von insgesamt neun Revieren der Stadt. Circa 70 Polizisten haben ein wachsames Auge auf das Grünauer Revier, das sich nochmals in folgende Teile untergliedert: Schönau, Grünau-Ost, Grünau-Mitte, Grünau-Siedlung, Grünau- Nord, Miltitz sowie Lausen-Grünau. Für das Naherholungsgebiet Kulkwitzer See teilen sich die Grünauer Polizisten die Arbeit mit den Kollegen in Grimma. Etwa 7000 Vergehen und Verbrechen registrierte die Grünauer Polizei jeweils in den Jahren 1998 und 1999. Im Jahr 2000 sank deren Zahl auf 5746 und für das gerade zu Ende gegangene Jahr rechnen die Beamten mit noch einmal 1500 weniger. Auch die Aufklärungsrate der Gesetzeshüter kann sich sehen lassen. So führten im Jahr 2000 mehr als die Hälfte der Ermittlungen zu einem erfolgreichen Abschluss. Damit liegen die Grünauer Polizisten merklich über dem Durchschnitt ihrer Kollegen. Soviel die Statistik auch verrät - genaue Auskunft gibt sie allerdings nicht. So lässt sich zum Beispiel keinesfalls von der Zahl der jährlichen Straftaten in einem Ortsteil auf die kriminelle Energie der dortigen Anwohner schließen.

Bild Nur ausgesprochen selten verüben die Täter ihre Straftaten in dem Ortsteil, in dem sie wohnen. Viel Zündstoff bergen Gebiete, in denen besonders viele Menschen zusammenkommen. Vor allem Standorte mit vielen Geschäften üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die meisten Straftäter aus. Bei fast allen Arten strafbarer Handlungen nahm die Leipziger Innenstadt eine traurige Spitzenreiterposition ein. Aber auch große Einkaufszentren wie das Paunsdorf-Center oder das Alleecenter in Grünau-Mitte belegen hierbei die vorderen Ränge. Gerade im Umfeld des Alleecenters werden neben Südvorstadt und Innenstadt die meisten Fahrräder entwendet. Selbst das Aufbrechen widerstandsfähigster Schlösser ist für gewiefte Diebe nur eine Frage der Zeit. Eine wirkungsvolle Maßnahme für das Wiederfinden gestohlener Drahtesel bietet hierfür die kostenlose Fahrradcodierung der Polizei.

Als zweite Stadt nach Bergisch-Gladbach (Nordrhein-Westfalen) führte Leipzig 1994 dieses System der Radsicherung ein. Bei diesem Verfahren wird eine zehnstellige Zahlen-Buchstaben- Kombination in den Fahrradrahmen ein-gefräst. Die Kennnummer wird in einem Fahrradpass notiert und in einem Verzeichnis der Polizei aufgenommen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Jeder Beamte kann bei einer Kontrolle das Rad sofort dem Eigentümer zuordnen. Weiterhin wird der Rahmen schwer beschädigt, wenn die Täter versuchen, den Code zu entfernen. Das Rad ist damit praktisch wertlos für den Dieb. Die Abschreckungswirkung ist enorm. Es gibt die Möglichkeit zu bestimmten Terminen, sein Fahrrad bei der Polizei in Grünau codieren zu lassen.

Mitzubringen sind Personalausweis, Kaufbeleg und natürlich das eigene Fahrrad. Auch bei Körperverletzungen wurden im Jahr 2000 neben der Innenstadt in Lausen-Grünau und Grünau- Mitte die meisten Fälle gemeldet. Die anderen Regionen Grünaus verschwanden in dieser Hinsicht im Durchschnitt der gesamten Stadt. Auch von Wohnungseinbrüchen waren die Plattenbausiedler nicht mehr betroffen als die übrigen Leipziger - im Gegenteil. Dafür nahmen sich die Einbrecher in diesem Jahr überdurchschnittlich oft Grünauer Böden und Keller vor. Auch die Sachbeschädigung ist ein ernsthaftes Problem. So kam es in Grünau- Mitte mit 252 Anzeigen im gleichen Jahr zu den meisten Meldungen. Auch Lausen mit 170 und Grünau-Nord mit 158 angezeigten Beschädigungen waren schwer betroffen. Besonders attraktive Ziele für die Vandalen sind Straßenbahnwartehäuschen um die körperlichen Leistungsgrenzen auszutesten. Das gilt auch für Häuserwände, wo in den wenigsten Fällen bei Gelegenheits- Graffiti-Sprayern dann wirklich Kunstwerke entstehen. Auch die Autos der Anwohner werden gern für Kraftdemonstrationen in Anspruch genommen. Etlichen Grünauern ist noch das Jahr 1997 nachhaltig in Erinnerung geblieben.

Die Reifenaufschlitzer von Grünau zogen vor allem im Mai und Dezember eine Spur der Zerstörung quer durch den gesamten Stadtteil. Sie hatten damals Reifen von fast 200 geparkten Fahrzeugen zerstochen und einen Sachschaden von rund 100.000 DM verursacht. Was Betrug, Rauschgift- oder Falschgeldkriminalität angeht, so gehört Grünau mit einem Anteil von weit unter zehn Prozent zu den weniger betroffenen Stadteilen in Leipzig. Allerdings lag hier die Zahl der Sexualdelikte deutlich höher als in den letzten Jahren. Von 446 angezeigten Sexualdelikten in ganz Leipzig stammten 2000 allein 79 aus Grünau - knapp 20 Prozent. Bei Mord oder Totschlag hingegen ist die Plattenbausiedlung nebst Umfeld eher selten Ort des Geschehens. Von insgesamt 89 »Straftaten gegen das Leben« im Zeitraum von 1998 bis 2000 war Grünau siebenmal Schauplatz.

Das Resümee: Die Grünauer brauchen sich nicht mehr um ihre Sicherheit zu sorgen als andere Leipziger Bezirke. Trotzdem ist immer Wachsamkeit geboten. Dies gilt auch für die Mitglieder der sächsischen Sicherheitswacht. In den letzten Jahren vergrößerte das Land Sachsen die Zahl der Sicherheitswächter im Freistaat kontinuierlich. Auch in Grünau unterstützen sie die Polizei seit 1998. Meist patrouillieren die wachsamen Helfer zu zweit durch die Straßen. Bei größeren Veranstaltungen können aber auch mehr eingesetzt werden. Die Polizei können sie natürlich nicht ersetzen. Aber die Angehörigen der Sächsischen Sicherheitswacht haben während der Zeit ihres Einsatzes mehr Befugnisse als der normale Bürger. Wie jeder andere dürfen die Sicherheitswächter auf frischer Tat gestellte Täter festhalten. Auch Notwehr und Nothilfe ist ihnen wie jedem Normalbürger gestattet. Die Sicherheitswacht kann zusätzlich Personen befragen, um sachdienliche Hinweise zu erhalten. Auch darf die Identität einer Person festgestellt werden, wenn von ihr eine Gefahr oder Störung ausgeht. Außerdem dürfen die Wächter Platzverweise aussprechen oder Sachen sicherstellen, um den rechtmäßigen Eigentümer vor Verlust oder Beschädigung der Gegenstände zu schützen.

»Aber in manchen Situationen wünsche ich mir schon, mehr Befugnisse zu besitzen«, sagt Uwe Nollau (36 Jahre, Angestellter bei der Telekom), einer der zwölf Grünauer Sicherheitsleute. »Diejenigen, die von uns auf Verstöße hingewiesen werden, sind leider nicht immer einsichtig und kooperativ. Für unsere Aufgabe ist Durchsetzungsvermögen ein wichtiger Aspekt.« Und einen durchsetzungsfähigen Eindruck macht der Mann von der Sächsischen Sicherheitswacht. Gemeinsam mit seinem Streifenpartner Bernd Brandenburg (47 Jahre, Sicherungsposten bei der DB) sorgt er konsequent für Recht und Ordnung im Grünauer Stadtbezirk. Obwohl der eine VfB-Leipzig-Anhänger und der andere Sachsen-Fan ist, sind die beiden ein gutes Team. Egal, ob es nun gilt, Hundebesitzer an den Leinenzwang zu erinnern oder verlorengegangene Kinder im Getümmel wiederzufinden. Auch Fahrraddiebe und Räuber mussten schon feststellen, dass mit den sächsischen Sicherheitswächtern nicht gut Kirschen essen ist. »Aber mit diesen schweren Straftaten werden wir eher selten konfrontiert.«, hält Bernd Brandenburg fest.

Für ihre Streifengänge bekommen die Ordnungshüter circa 5 Euro die Stunde. Maximal 40 Stunden darf jeder monatlich ableisten. Für viele ein attraktiver Nebenverdienst zum normalen Beruf. Bewerben können sich Männer und Frauen zwischen 18 und 60 Jahren. Voraussetzungen sind eine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung und eine entsprechende gesundheitliche Eignung. Zuverlässigkeit und Verantwortungsbereitschaft sind natürlich unerlässlich. In sechzig Unterrichtseinheiten werden die ausgewählten Bewerber in verschiedene Rechtsgebiete eingewiesen, lernen die Aufgaben und den Dienstbetrieb der Polizei kennen und erhalten praktische Hinweise für ihre künftige Tätigkeit. Am Ende der Ausbildung steht ein Abschlussgespräch. Danach werden die erfolgreichen Teilnehmer als Angehörige der Sächsischen Sicherheitswacht bestellt und einem Polizeirevier zugewiesen. Dort entscheiden erfahrene Polizeibeamte, wann und wo sie eingesetzt werden.

Die Sicherheitswächter dürfen allerdings keine Stoß-, Stich- oder Schusswaffe mit sich führen. Dafür werden sie mit anderen nützlichen Dingen für ihre Streifengänge ausgerüstet. Jeder erhält eine Weste mit der Aufschrift »Sächsische Sicherheitswacht«, eine Taschenlampe, einen Stadtplan, Schutzhandschuhe und ein Funkgerät. Zu ihrer persönlichen Sicherheit führen die Ordnungshüter ein Pfefferspray mit sich. Das Motto lautet »Prävention durch Präsenz«. Aber es wird noch mehr getan. Es gibt für Grünau sechs Bürgerpolizisten, die sich den Fragen und Problemen der Bürger annehmen. Im Kontaktladen Grünau steht einer von ihnen regelmäßig Rede und Antwort.

Im Sommer werden außerdem verstärkt die Biker- und Reiterstaffel am Kulkwitzer See eingesetzt, damit das Badevergnügen nicht in einem Meer von Tränen endet. Obwohl soviel Anstrengungen für die Sicherheit des Grünauer Revierbereichs unternommen werden, Langfinger und Schlimmeres wird es immer wieder geben.
Alexander Kummerow

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