Baum des Jahres 2002: Der Wacholder
Der Wacholder ist die weltweit häufigste Koniferenart. Weshalb wurde er dann zum Baum
des Jahres gewählt? Mit dieser Wahl soll ja auf die bedrohte Natur aufmerksam gemacht
werden.
Wacholder kennt fast jeder und sei es nur als Gewürz. Es ist ein eigenartiges Gewächs. Er ist
extrem frosthart, so dass er im Gebirge das am weitesten nach oben steigende Gehölz ist und
auch noch in der Polartundra wächst. Dennoch fühlt er sich in den Garigue-Landschaften
(entspricht unserer Heide, allerdings mit anderen Pflanzengesellschaften) um das Mittelmeer am
wohlsten. Er braucht volle Sonne und hält auch Trockenheit aus. Eine richtige Winterruhe macht
er nicht, sobald es frostfrei ist, wächst er weiter. Er bildet daher auch keine richtigen
Knospen. Aber obwohl er das ganze Jahr über wächst, schafft er pro Jahr meist nur 10 cm
Zuwachs. Das ist der Grund dafür, weshalb der wilde Wacholder sich nur sehr selten in Gärten
und Parks verirrt, obwohl Zuchtformen und verwandte Arten bei Kleingärtnern äußerst beliebt
sind. In unserem Garten wachsen zwei wilde Wacholderbäumchen. Zwei, weil Wacholder zweihäusig
ist, das heißt es gibt männliche und weibliche Pflanzen und ich hoffe, irgendwann einmal die
kleinen Zapfen (meist Wacholder»beeren«
genannt) als Gewürz ernten zu können.
Weidetiere, selbst die anspruchslosen Schafe und selbst Ziegen, vor denen sonst nichts
sicher ist, fressen den stachligen Wacholder nicht. Er ist deshalb ein Charakterbaum oder
besser Strauch von extensiv genutzten Weidelandschaften. Mit zunehmendem Alter fällt er
auseinander und bildet einen Schirm, unter dem Waldbäume geschützt vor Tieren wachsen können.
Er leistet damit Pionierarbeit für eine natürliche Bewaldung. Sobald allerdings seine
Pfleglinge größer werden, nehmen sie ihm das Licht und er stirbt ab. Mit dem Verschwinden der
alten Weiden und der Schafherden verschwindet auch der Wacholder, der noch vor 300 Jahren auch
in unserer Region recht häufig war. Bei den Gärtnern wegen seines langsamen Wachstums und
seiner schlechten Formbarkeit in Ungnade verschwindet er langsam aus unserer Kulturlandschaft.
Darauf will die Wahl zum Baum des Jahres aufmerksam machen.
Dr. Leonhard Kasek