Joachim Kasten, ein Grünauer erinnert sich
Ein Anlass zum Nachdenken
Zur Erinnerung an den letzten Großangriff amerikanischer Bomberverbände auf unsere bereits geschundene Stadt und seine Bürger - am 27. Februar 1945 gegen 14.30 Uhr.
An diesem Tag wurde unter anderem auch das Schiller-Realgymnasium in Leipzig-Gohlis in der Frickestraße 8 zerstört. Es soll die schönste Schule Leipzigs gewesen sein. Ich halte die Feststellung für zutreffend, denn welche Schule hatte schon ein so schönes Äußeres? Ein architektonisch beeindruckendes Gesamtbild bot das Gebäude mit dem Schmuckplatz und einem eigenen Denkmal vor dem Hauptportal. Die großartige Treppenhausgestaltung verlieh dem Interieur das Besondere. Die Schillerschule war zugleich wegen ihrer unterrichtlichen Ausstattung eine sehr moderne Bildungseinrichtung ihrer Zeit.
Sie hatte insgesamt 43 Räume, davon 18 Klassenzimmer. Zur Verfügung standen ein Zeichensaal und ein Musiksaal mit einem Blüthner - Konzertflügel, des weiteren ein Biologiezimmer und ergänzend dazu ein kleiner wissenschaftlich angelegter Schulgarten. Außerdem gab es zwei Physikunterrichtsräume mit einem Geräte - Instrumentenraum, ferner ein Chemiezimmer mit Labortischen, Laborgeräteraum und einer umfangreichen Mineraliensammlung. Zur unterrichtlichen Ausstattung gehörten ein Werkraum und ein fotografisches Labor. Die Schule hatte eine Turnhalle und einen Dachgarten für Himmelsbeobachtungen. Es gab drei Büchereien und einen Karzer, der seit den zwanziger Jahren nicht mehr genutzt wurde. Der größte und festlichste Raum war die Aula mit einer großen Empore.
Binnen weniger Minuten zerstörten Sprengbomben die ehrwürdige Schule, den Rest besorgten die Flammen. Im Luftschutzkeller überlebten etwa 30 Personen das Inferno.
Ehemalige »Schilleraner«
, einige von ihnen in Übersee und in europäischen Ländern lebend,
treffen sich heute noch in Leipzig und besuchen, ihrer Schulkameraden und ehemaligen Lehrer
gedenkend, die Stätte ihrer alten Schule.
Joachim Kasten
Anmerkungen
Bombenangriffe wurden während des zweiten Weltkrieges zwischen 1943 und 1945 auf Leipzig
geflogen, u.a. während der »Big Week«
(6-Tage-Angriffswelle) am 19. und 20.2.44. Der schwerste
Angriff auf Leipzig (Operation Haddock) fand in der Nacht vom 3. zum 4. Dezember 1943 statt,
bei dem 2000 Leipziger starben und über 40000 ausgebombt (obdachlos) wurden. 1998 berichtete
uns Margot Henkel aus Grünau über diese Bombennacht. Den Artikel finden Sie in unserem
Archiv.
Übrigens waren es deutsche Piloten die zuerst ganze Städte flächendeckend bombardierten.
Zuerst während des spanischen Bürgerkrieges im April 1939 die Stadt Guernica, später während
der von Hitler ausgerufenen »Luftschlacht um England«
(1940-1941) britische Städte, u.a.
Coventry (14.11.1940).
Lutz Rodenhauser