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Besinnliche Weihnacht

Glocken in unserer Zeit…

Am letzten Urlaubstag, bei einem winterlichen Abendspaziergang am Ufer des Mittelrheins bei Boppard, erhellten die letzten Sonnenstrahlen die spätromanischen Glockentürme der St. Severus- Kirche und ich hörte das Abendgeläute. Vom Klang der Glocken ging eine Faszination aus, die bewirkte unwillkürlich einige Minuten innezuhalten, um über die Grundfragen menschlichen Seins nachzudenken. Vielen wird es so ergehen wie mir. Irgendwann stellt man fest, dass die Glocke als ein individuelles Musikinstrument, mit kunstsakralhistorischer Bedeutung, aus unserem Alltagsbewusstsein fast verdrängt worden ist.

Zur Erinnerung erwähne ich, dass die ersten einzelnen Glocken des Abendlandes von den Mönchen in den Klöstern des Mittelalters aus Bronze gegossen wurden. Seit dieser Zeit begleitet die Einzelglocke oder das Geläute die Menschen in Europa. So wurde die abendländische Glocke nicht nur Symbol des Evangelismus, sondern wurde auch für Frieden, Freiheit und Heimat.

Die Glocke begleitet uns lebenslang mit ihrem Klang. Sie ordnet die Zeit, ruft zum Gebet und zur Arbeit. Sie leitet die Feierabendruhe ein, beklagt und begleitet die Toten auf ihren letzten Weg. Aber auch zu festlichen und fröhlichen Anlässen feiert die Glocke stimmungsvoll mit uns.

Die klanglich schönste Glocke der Welt heißt Maria Gloriosa. Vom Erfurter Gießer Gherd van Wou geschaffen, grüßt sie uns vom Dom zu Erfurt. Die St. Peters Glocke ist mit 24.000 kg Gewicht die größte freischwingende Glocke der Welt. Sie wurde 1923 in Apolda gegossen. Vom Dom zu Köln hört man sie weit über den Rhein und die Dächer der Stadt.

Liebe Leserinnen und Leser, Hunderte Glocken wären noch zu erwähnen, doch als letzte erinnere ich an die Freiheitsglocke-Berlin. Über viele Jahre hinweg kündete ihr Ruf uns Deutschen in Ost und West, vom unbeirrbaren Glauben an die Freiheit und die Würde des Menschen. Ihr Glockenklang war Hoffnung und Mahnung zugleich. In der letzten Septemberwoche 2004, richteten die Städte Karlsruhe und Straßburg gemeinsam die Europäische Glockentage in Karlsruhe aus. Es ist das größte Glockenfest der Welt und wird seit 1927 alle sieben Jahre gefeiert. Diesmal bildete die älteste Glocke Europas, in Schottland um 800 gegossen, den Glanzpunkt der gemeinsamen Prozession der katholischen und evangelischen Kirche in Karlsruhe.

Zum absoluten Höhepunkt des Europäischen Glockenfestes, wurde der öffentliche Glockenguss der ersten Europäischen Friedensglocke und deren Weihe, auf dem Marktplatz in Karlsruhe. »Friede sei ihr erst Geläute«, heißt die Glockeninschrift. Sie wird künftig vom Turm des Straßburger Münsters für Europa erklingen. Möge dieser Bericht dazu beitragen, dem europäischen Kulturgut Glocke und Geläute, wieder größere Aufmerksamkeit zu schenken.
J. Kasten

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