Neue Diskussion um alte Strategie
Klare Unklarheiten
Umso mehr musste man sich im Laufe des dreistündigen Abends fragen, wieso dieses alte Papier erst jetzt den Grünauern vorgestellt wird und wie eine eventuelle Bürgerbeteiligung ausgesehen hätte, wenn diese Vorlage wie geplant schon im April dem Stadtrat zur Abstimmung vorgelegt wurden wäre.
Dass diese so nicht funktioniert, mussten sich selbst die Verantwortlichen eingestehen und verlegten den Termin kurzerhand auf den Sommer. Das tut auch Not. Denn so wie das Konzept momentan steht, ist es eine Farce. Nicht nur, dass man auf Hinweise stößt, die Vermutungen, es handele sich keineswegs um eine neue Ausarbeitung, zur Gewissheit werden lassen und der Plan zur Veranschaulichung der Vorhaben vor Fehlern und Ungereimtheiten nur so strotzt. Vielmehr wird beim Studieren des Strategiepapiers klar, dass eigentlich alles unklar ist - unter anderem der nicht unerhebliche Punkt der Finanzierung.
Auch die Ausweitung der als solche deklarierten
Stabilisierungskerne (Lipsia-Chef Grewatsch nannte diese vor gar nicht allzu langer Zeit
Wohninseln) im Stadtumbaugürtel soll »im Laufe der Zeit konkretisiert «
werden. Damit
jedoch verhallt der Ruf vieler Grünauer nach gesicherten Auskünften zur Zukunft ihres
Wohnumfeldes im Nichts. Mehr noch: Die Verunsicherung ist größer denn je, was auch
die aufgebrachte Stimmung an jenem Abend in der Völle bewies.
Erklärungsversuche der Stadt wurden zumeist mit Kopfschütteln, Diskussionsbeiträge aus den eigenen Reihen jedoch mit mehrheitlichem Szenenapplaus bedacht. Wer sich jedoch trotz der widrigen Umstände ein akzeptables Ergebnis der Veranstaltung erhoffte, wurde enttäuscht. Zwar kamen viele Bewohner zu Wort, konnten schriftlich oder mündlich ihr Unverständnis äußern, Vorschläge unterbreiten oder einfach nur auf ihre ganz persönliche, beziehungsweise die generelle Situation der Grünauer aufmerksam machen, aber eine befriedigende Antwort blieb man ihnen größtenteils schuldig. Nicht zuletzt auch darum, weil einige Vertreter der Wohnungswirtschaft mit Abwesenheit glänzten.
So blieben die Fragen von Mietern der WOGETRA oder der BGL
beispielsweise unbeantwortet. Andere hatten da mehr Glück mit ihren Vermietern.
Vertreter der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (Klaus Hochtritt) und der
Wohnungsbaugenossenschaft Kontakt (Horst Reimer) machten Figur, in dem sie Rede
und Antwort standen. Letzterer sicherte sich gar die Sympathien der Zuhörer, als er das
klare Bekenntnis der »Kontakt«
offen aussprach: »Wir reißen in Grünau nichts ab. Im
Gegenteil. Wir werden unsere Bestände schrittweise sanieren - auch oder vor allem im
Stadtumbaugürtel.«
Viel wurde gebuhlt um den angestrebten kleinsten gemeinsamen Nenner. Bürgermeister zur Nedden unternahm sogar einen unglücklich formulierten Versuch eines Gleichnisses, um die Notwendigkeit eines Konsenses zu verdeutlichen. Das verstand zwar niemand so richtig, aber man wurde letztlich fündig: Zumindest die Grünauer waren sich zum Abschluss der Veranstaltung darüber einig, dass ihr Stadtteil eine Imagekampagne bitter nötig hat. Darin sollen die unbestreitbaren Vorteile Grünaus deutlich und für jeden erkennbar gemacht werden. Dahinter steckt nichts anderes als der Wunsch, bisherige Bewohner im Stadtteil zu halten und neue hinzuzugewinnen.
Denn - und auch in diesem Punkt stimmte man überein - wenn alle Gebäude voll vermietet sind, ist die Diskussion um Rückbau überflüssig. Der nächste Streit ist allerdings schon jetzt absehbar: Den gibt es nämlich dann, wenn es darum geht, wer so ein Vorhaben initiieren und vor allem wer es finanzieren soll.
Klaudia Naceur