Geschichten von 100 und einem Samowar
Teil 3
Vier Jahre später, genauer gesagt am 12. Juni 2007 - am Nationalfeiertag »Tag Russlands«
, geht Anton Groß gemeinsam mit
Veteranen der ehemaligen DSF ins Russische Konsulat. Im Gepäck ein Exemplar des Buches und einen Brief an Präsident
Vladimir Putin. In diesem steht neben Glückwünschen zum Nationalfeiertag und Zeilen der Anerkennung für sein bisheriges
Schaffen auch eine persönlich Einladung zum Teetrinken ins Groß'sche Samowarmuseum nach Leipzig - eine seiner ehemaligen
Wirkungsstätten.
Vier Monate später, Anton Groß hat seinen Schreiben zwar nicht vergessen, aber längst nicht mehr zu hoffen gewagt, eine Reaktion zu erhalten, klingelt bei ihm das Telefon - am Apparat der russische Konsul. Die Freunde des neuen Russlands seien ins Konsulat eingeladen, denn es wäre etwas aus Moskau eingetroffen, was man ihnen gern übergeben möchte. Ein zweiter Anruf folgt und diesmal ist nicht mehr nur der Grünauer und seine Freunde überrascht, sondern auch der Konsul: Eine Kiste aus dem Kreml ist eingetroffen.
Eine kastenartige Truhe, die Anton Groß nun vor meinen Augen sich anschickt, aufzumachen. Vorsichtig und jeden Moment genüsslich auskostend öffnet er den Verschluss des mit schwarzem Samt ausgekleideten Behältnisses und enthüllt mit einem strahlenden Lächeln seinen Schatz. Golden funkelt Putins Samowar auf dem kleinen Tisch und selbst ich, der ich weder eine Schwäche für Herrn Putin, noch für Samoware habe, bin irgendwie ergriffen.
Mehr als nur Papier
»Wie muss es erst dem sicher immer wieder aufs Neue gerührten Anton Groß ergehen?«
, frage ich mich beim Blick auf das
glänzende Prachtstück vor mir. »Sicher ist der Samowar eine große Überraschung gewesen - selbst der Konsul hätte mit so
einer Geste nicht gerechnet. Aber davon abgesehen, dass dieses vergoldete Exemplar laut Zertifikat vom Hoflieferanten
seiner Exzellenz dem Schah von Persien stammt, sehr kostbar ist und damit meine Sammlung enorm aufwertet, ist etwas anderes
für mich viel wichtiger.«
Damit meint er den Brief vom Präsidenten, der fein säuberlich in einer goldenen Mappe neben dem
Kasten auf dem kleinen Tisch seinen Platz hat.
Vergeblich versuche ich die kyrillischen Buchstaben zu entziffern. Es gelingt mir nicht. Mein Gegenüber schmunzelt über meine unzureichenden Sprachkenntnisse, reicht mir endlich eine deutsche Übersetzung und schnell begreife ich, warum dieser Brief (Übersetzung nebenstehend) so viel für ihn bedeutet. Er beinhaltet alles, wofür sich der rührige Rentner bis zum heutigen Tage einsetzt, was ihm so wichtig ist - die Beziehung dieser beiden Länder und den Menschen, die in ihnen leben. Die Freundschaft zwischen zwei Nationen, deren Schicksale so eng aneinander geknüpft sind und sich in der Person Anton Groß vereinen.
Gerührt verlasse ich nach vier Stunden die Wohnung der Eheleute Groß. Zuvor durfte ich noch den Antwortbrief lesen, den Vladimir Putin nun bereits erhalten haben müsste, und noch einen Blick in die Küche werfen - auf ein Fliesenbild. Mit Samowarmotiv natürlich.
Klaudia Naceur>