Grün-As

»Grün-Au« auf dem Weg zu mehr Lebensqualität

Energetische Sanierung von Plattenbauten und Stadtumbau nachhaltig verknüpfen

In Deutschland gibt es rund 2,9 Millionen Plattenbauwohnungen. Davon stehen allein 2,4 Millionen in den neuen Bundesländern. Der Bevölkerungsrückgang, das Überangebot an Wohnungen und mangelnde Attraktivität lassen das Wohnen in der »Platte« als unzeitgemäß erscheinen. Modellprojekte hingegen zeigen, wann und wie Plattenbauten erfolgreich für die Zukunft genutzt werden können - auch in Grünau.

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Autor Ulf Sieberg

Im Mai 2007 trafen sich die EU-Bauminister unter Leitung von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee, um sich in der »Leipzig Charta« für eine nachhaltige Stadtentwicklung auszusprechen. Darin heißt es, dass unter anderem Plattenbausiedlungen besondere Beachtung geschenkt werden muss. Und das in vielfältiger Hinsicht. So ist die Gestaltung von Grünau unter dem Aspekt einer ausgewogenen und nachhaltigen Stadtentwicklung zu berücksichtigen. Dazu gehören unter anderem ein hoher Anteil an Natur- und Naherholungsräumen, eine gute Anbindung an den Öffentlichen Personen-Nahverkehr, attraktive Einkaufsmöglichkeiten und die Sanierung und Aufwertung des Wohnungsbestandes nach gesundheitsfördernden und ressourceschonenden Kriterien. Durch eine Sanierung können so die Lebensqualität für die Bewohner maßgeblich verbessert und die Energiekosten für die Mieter erheblich reduziert werden.

Warum, das machen Modellvorhaben der Deutschen Energieagentur deutlich. So birgt die energetische Sanierung von Gebäuden im Bestand Einspareffekte von bis zu 85 Prozent in sich. In Lößnig wurde ein elfgeschossiger Plattenbau aus dem Jahr 1973 mit einer Wohnfläche von 10.326 m² saniert. Diese zu den Großplattenbauten zählenden Gebäude weisen in der Praxis einen Heizenergieverbrauch von bis zu 220 Kilowattstunde pro Quadratmeter im Jahr (KWh/m²a) auf. Der Konstruktionsweise aus den 60er bis 80er Jahren sind eine Vielzahl an Schwachstellen und Bauschäden zu eigen. Rissbildungen und Feuchteschäden in der Außenwand, Luftundichtheiten bei Fenstern, mangelnder Wärmeschutz des Daches und hohe Verteilungsverluste mit schlechter Regelungsfähigkeit der Heizung führen zu einem exorbitanten Energieverbrauch und zu Gesundheitsrisiken durch Schimmelbildung, Durchzug und der Verwendung gesundheitsschädlicher Baumaterialien.

Vor allem die Energiekosten belasten die Mieter unnötig. Dem entsprechend hoch ist aber auch das Einsparpotential. So konnten in Leipzig unter Berücksichtigung eines wirtschaftlich tragfähigen Sanierungskonzeptes 76 Prozent des Primärenergieverbauchs eingespart werden. Dies entspricht einer Kohlendioxideinsparung von 428 Tonnen. Soviel, wie zirka 110 Einfamilienhäusern mit einem Vier-Personen-Haushalt das Jahr über in die Luft abgeben. Der Heizenergieverbrauch betrug damit nach der Sanierung nur noch 44 (!) KWh/m²a. Erreicht wurde dies durch den Einsatz innovativer Technologien energetischer Gebäudesanierung mittels hocheffektivem Wärmeschutz, Solarkollektoren, Wärmepumpen, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und hochautomatisierter Regelungstechnik.

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Um Plattenbauten sinnvoll zu modernisieren, müssen jedoch eine Reihe von Rahmenbedingungen erfüllt werden. Dabei ist von einer flächendeckenden Sanierung eher abzusehen. Substanz und Lage der »Platte« müssen erhalten und so gewählt sein, dass urbanes Wohnen mit Naherholungswerten verknüpft werden. Das bedeutet auch, dass die »Platte« in ein vielfältiges urbanes Umfeld integriert werden muss. Erst dann kann eine hohe Lebensqualität gewährleistet werden. Reine »Schlafstätten« gewinnen auch durch energetische Sanierung nicht an Reiz. Vielmehr muss das Wohnumfeld um die entsprechende soziale und kulturelle Infrastruktur erweitert werden.

Der »Rückbau«, also der Abriss von Plattenbauten, darf dennoch nicht die erste, vorschnelle Lösung sein. Massenabriss von Plattenbauten wie im brandenburgischen Schwedt oder im thüringischen Leinefelde bewirken unter Nachhaltigkeitsaspekten oft das Gegenteil von dem, was eigentlich bezweckt wurde. So zeugen die Modellvorhaben davon, dass energetische Sanierungen in der Energiebilanz besser dastehen als die Erschließung von Neubaugebieten. Bestehende Gebäude benötigen im Durchschnitt zwar dreimal soviel Energie zur Wärmeversorgung als Neubauten. Sie tragen, anders als Neubauten, aber nicht zu zusätzlicher Erschließung und Verbrauch von Flächen bei. Die große Nachfrage in Lößnig beweist außerdem, dass eine modernisierte »Platte« attraktives Wohnen bedeuten kann.

Ein nachhaltiger Stadtumbau mit der energetischen Sanierung von Gebäuden im Bestand kann in Grünau effektiv zum Klimaschutz beitragen. Die Mieter bestimmen dabei die Nachfrage nach energetisch sanierten Wohnungen, die ihre Haushaltskasse massiv entlasten würde. Eine nachhaltige Entwicklung von Grünau sollte daher beinhalten, dass Grünau seinem Namen als »grüne Aue« bald wieder gerecht wird.

Ulf Sieberg
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