»Das nehme ich mit«
OBM lässt sich durch Grünau führen und steht anschließend in der Völle Rede und Antwort
Es ist immer wieder etwas Besonderes, wenn sich das jeweilige Stadtoberhaupt Leipzigs in dessen größten Teil begibt, um sich vor Ort ein Bild von speziellen Problemen und Entwicklungen zu machen, beziehungsweise sich der Sorgen, Nöte und Anregungen der Bürger annimmt. Für Burkhard Jung war es der erste Rundgang in Grünau als Oberbürgermeister. Eingeladen vom Stadtbezirksbeirat und dem Quartiersmanagement wurde er begleitet von einem Tross Verwaltungsangestellter und interessierter Grünauer, trotz seines Premierenbesuches nicht geschont, sondern durch ein Teilgebiet des Viertels geführt, das man getrost als problematisch bezeichnen könnte.
Treffpunkt an jenem 6. Mai war die Alte Salzstraße an der Konsumkaufhalle Grünauer Allee. Vorbei ging es am, seit Jahren
nicht mehr funktionierenden Fischbrunnen, durch die beidseitig beinah verwaiste Ladenzeile und dem riesigen, ebenfalls kaum
noch genutzten Gewerbekomplex. Zu gern hätte man in den Kopf des Herrn Jung hineinblicken mögen. Was er wohl denkt, wenn er
so etwas sieht? Andeutungsweise ließ er die Anwesenden wissen, was in ihm vorgeht. Etwa wenn er ungläubig fragt:
»Und das steht alles leer?«
.
Ja, so ist es leider und bevor sich an diesem Umstand etwas ändert, muss sich Einiges tun. Die Pläne dafür müssen nur
noch aus der Schublade eines Schreibtischs im Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung - kurz ASW - ans Tageslicht
befördert werden. Denn schon lange bastelt man am Konzept der »Jungen Alten Salzstraße«
.
Ansatzweise wird es am Beispiel des Theatriums - Umzuges erläutert. Burkhard Jung nickt gefällig. Als ehemaliger
Dezernent für Jugend, Schule und Sport ist er bestens mit der Problematik des Kinder- und Jugendtheaters vertraut. Dass das
Theatrium in einen der Flachbauten einziehen wird, ist keine Frage, es geht nur noch darum, in welchen. »Es wird
immer noch verhandelt«
, heißt es seitens des ASW. Bevor der Rundgang nun in ämterübergreifenden Smalltalk
abzugleiten droht, ergreift Martin Malzahn, ein Bewohner des dortigen Elfgeschossers und Mitglied im Quartiersrat Grünau,
das Wort und stellt eine unangenehme Frage: Er wolle wissen, was an den Gerüchten dran sei, dass die Sparkassenfiliale im
WK II schließen werde. Man spräche bereits hinter vorgehaltener Hand davon, dass außer der Zweigstelle im Allee-Center alle
anderen geschlossen würden und Herr Jung als Aufsichtsratsvorsitzender der Sparkasse Leipzig könne doch mal seinen Einfluss
geltend machen, damit man wenigstens Auskunft bekäme.
Vergeblich hatten sich das QM und auch »Grün-As«
schon seit Monaten um eine verlässliche Aussage
bezüglich der bevorstehenden Sparkassen-Schließungen bemüht. Abgesehen von der Bitte um Verständnis, dass es dazu noch kein
Statement gibt, waren die Anfragen umsonst. Auch der OBM konnte kein Licht ins Dunkel der Gerüchteküche bringen,
versicherte jedoch, dass auf keinen Fall alle Filialen schließen werden.
Nächste Rundgangsstation war ein so genannter Umformer, der schon seit einiger Zeit zur Skaterhalle und Jugendzentrum im wahrsten Sinne des Wortes umgeformt wird. Oder werden soll - denn noch sieht man dem Gebäude die sechsjährige Betreiberbschaft des Sport- und Jugendvereins Urban Souls e.V. nicht an. Nun will sich das ASW mit 96.000 Euro Fördermitteln einschalten, um das Projekt endlich voranzutreiben. Bislang ist nur wenig Eigeninitiative seitens des Vereins sichtbar. Ob er auch noch den Rest der veranschlagten Gesamtinvestitionssumme von 149.000 Euro aufbringen kann, ist zwar wünschenswert, bleibt aber abzuwarten. Sicher ist nur, wie die Halle zukünftig heißen soll: Heizhaus.
Zurück auf der Begehungsstrecke, wurde es nun hektisch: Die Zeit war rum und noch lagen ein paar hundert Meter zum Veranstaltungsort der Bürgersprechstunde vor der gut 40-köpfigen Gruppe und einige Informationen - wie beispielsweise das in der Machbarkeitsstudie untersuchte Postgebäude, welches zum Stadtteilrathaus umfunktioniert werden soll - wurden nur am Rande schnell erwähnt. Ein paar Jugendliche kamen noch in den Genuss, von ihrem Stadtoberhaupt mit Handschlag begrüßt zu werden und dann ging es hinein in die Völkerfreundschaft und es nahte die Stunde der Wahrheit.
Im Saal des Freizeittreffs warteten schon mehr oder weniger geduldig zirka 200 Grünauer, um dem seltenen Gast ihre dringendsten Probleme ans Herz zu legen: Trinkende und randalierende Jugendliche in der Öffentlichkeit, die sanierungsbedürftige Turnhalle der 84. und 85. Schule oder die seltsamen Öffnungszeiten der Völle (wochentags bis 21 Uhr - Wochenende Ruhetage) bereiteten Jung noch wenig Mühe beim Antworten und mitnehmen. Schwieriger, weil sehr emotionsgeladen wurde die Diskussion mit den Grünauer Siedlern - eine Gruppe, die man sonst vergeblich bei solchen Veranstaltungen sucht. Doch der seit Monaten schwelende Konflikt um den Straßenausbau in Grünauer und Kirschbergsiedlung lockte die Siedler dieses Mal in Scharen aus ihren Eigenheimen. Zu einer Lösung des durchaus nicht einfachen Problems kamen beide Lager freilich nicht - dafür aber andere Bürger auch leider nicht mehr ans Mikro.
Klaudia Naceur>