Grün-As

Eiger Nordwand

Fotografieausstellung von Harald Kirschner

Einst prägte sie das Bild Grünaus bei Ankunft oder Verlassen Leipzigs über die Lützner Straße - die Eiger Nordwand. 1982 erbaut, sollte der Elfgeschosser Neue Leipziger Straße 2-28 nur 35 Jahre bestehen bleiben. Die außergewöhnliche, beinah liebevolle Bezeichnung des Plattengiganten prägte der damalige Geschäftsführer des Eigentümers LWB Christoph Beck, als er ihm zum ersten Mal ansichtig wurde.

Aber auch diese Ehrerbietung half nichts - 2005 wurde bekannt, dass die insgesamt 543 Wohnungen der Eiger Nordwand abgebrochen werden sollen. Kaum waren die Mieter ausgezogen, zog der Grünauer Fotograf Harald Kirschner mit seiner Kamera los, bevor die Abrissbirne in der Eiger Nordwand wütete. Auslöser für diese Arbeiten war zum einen der Abriss selbst, zum anderen die Idee, Verlassenes festzuhalten.

»Für mich war es spannend zu sehen, was übrig bleibt, wenn Leute gehen müssen«, so der Künstler nach seiner Spurensuche. Gefunden hat er eine erstaunliche Vielfalt hinter den einheitsgrauen Fassaden, Individualität hinter gesichtslosen Wänden. Hier die zimmerhohe Südsee-Fototapete, eine Art »Am Fenster«-Sehnsucht der realsozialistischen Innenarchitektur, dort der zwischenzeitlich mal heftig angesagte Strukturtapete.

Manche Bewohner nahmen den Begriff besenrein offenbar bierernst und entfernten den Wandschmuck bis zum nackten Beton. Andere wiederum zogen frei nach dem Motto »Nach mir die Sintflut« aus und ließen alles liegen, wofür sie keine Verwendung mehr hatten: Möbel, Spielzeug... Manchmal war sogar der Küchenschrank noch gefüllt. Spannend auch das epochale Zusammentreffen mehrerer Tapetenschichten aus unterschiedlichen Zeiten.

Info in Auszügen: Ingolf Rosendahl / Christoph Kaufmann / kmn
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