Der Gelbe Riese schwört auf Filialen im Einzelhandel
Kunden und Händler müssen mit Kompromissen leben
Stefan Ruhland ist sauer: Der Ersatz für die seit August 2009 geschlossene Post-Filiale in der Selliner Straße ist für ihn keine akzeptable Lösung. Auf zu wenig Fläche würden zu viele Kunden bei überdies eingeschränkten Öffnungszeiten zu lange warten. Obwohl Ruhland, der ganz in der Nähe wohnt, bis zum mittlerweile etablierten Post-Shop in der Ratzelstraße 224 einen wesentlich kürzeren Weg hat, kritisiert er: Mittwochs ist nur am Vormittag geöffnet, die tägliche Mittagspause von zwei Stunden sei nicht tragbar.
Sonja Hinerasky ist resolut, und Manchem womöglich ein wenig zu ehrlich: »Ich brauche meine Mittagspause. Die
lasse ich mir nicht nehmen!«
, sagt die Inhaberin des Bestellcenters, in dem die Poststelle eingerichtet wurde.
Die Öffnungszeiten zu kurz? »Ich lasse mir nicht vom Kunden vorschreiben, wann ich hier zu öffnen habe. Vorgabe
ist, von Montag bis Samstag geöffnet zu haben. Daran halte ich mich.«
Der Laden zu klein? »Wenn mir
jemand die Miete zahlt, ziehe ich gerne um. Die Post hat entschieden, dass diese Fläche ausreichend ist«
, sagt
Hinerasky und führt gute Gründe an, warum dies keine patzigen Antworten sind: Die Post habe sich aus Kostengründen dafür
entschieden, die eigene Filiale aufzugeben.
Kaum verwunderlich, dass private Betreiber betonen, wenig finanziellen Spielraum zu haben: »Also ich habe hier
vielleicht drei Euro Stundenlohn. Wer mir rät, weiteres Personal einzustellen, muss mir schon sagen, wie ich das machen
soll!«
, sagt die Besitzerin. Nichtsdestotrotz, werden Kritiker sagen, war es doch ihre eigene Entscheidung, sich
die Post ins Haus zu holen. Hinerasky räumt ein, dass das schwarze Horn auf gelbem Grund trotzdem auch ein Segen ist:
»Mein Bestellcenter hätte ich nach der Quelle-Pleite wohl dicht machen können. Die Post hält das Geschäft am
Leben.«
Im nächsten Satz fügt sie jedoch hinzu, dass die Erlöse viel dürftiger sind als erwartet. Dass Warteschlangen entstehen,
gibt Hinerasky zu: »Natürlich gibt es das zu Stoßzeiten. Wir bemühen uns um Schnelligkeit, können es aber nicht
verhindern.«
Durch die überdachte Passage stehe Niemand an der frischen Luft oder im Regen, aber manchmal eben
Jemand vor der Ladentür: »Das ist nun einmal so, ich habe mir das nicht ausgedacht.«
Anke Baumann ist zuversichtlich: Als Post-Sprecherin arbeitet sie für das Unternehmen, das »sich das
ausgedacht«
hat - und liefert mit dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit ein ebenso nachvollziehbares Argument für die
Umstrukturierungen. Weswegen das Modell, eigene Filialen kostensparend in bestehende Einzelhandelsgeschäfte zu verlagern,
postintern als zukunftsträchtig gilt. Im Übrigen informiert Baumann darüber, dass Leipzig bereits völlig umstrukturiert
ist. Nicht eine der 61 Filialen werde noch von der Post selbst betrieben.
53 Poststellen - darunter die von Sonja Hinerasky - sind im Einzelhandel zu finden, die restlichen und meist größeren
werden von der (ausgegliederten) Postbank betrieben. Die Sprecherin bestätigt Hineraskys Angaben: Infrastruktur,
Betriebsabläufe und Sicherheit wurden zuvor kalkuliert und als akzeptabel befunden. Vermutlich auch mangels Alternativen,
denn die Suche nach einem geeigneten Partner habe sich als schwierig erwiesen. Die Filiale im Bestellcenter sei
»nach Prüfung aller Möglichkeiten am besten geeignet«
gewesen.
Baumann sagt auch: »Die frühe Schließung am Mittwoch ist nicht optimal. Aber die ganz ideale Lösung gibt es
selten.«
Was die unter Sparzwang stehende Post aber als Kompromiss bezeichnet, ist in den Augen von Stefan
Ruhland »Mittelalter mit Postkutschenmanier«
. Bei einem Besuch der Poststelle ist diese allerdings
ziemlich leer. Kunden werden zügig abgewickelt, eine Frau verlässt den Laden mit dem Kommentar: »Feines Arbeiten
mit Ihnen!«
Laut Hinerasky ist diese Momentaufnahme wesentlich näher am Durchschnitt als Ruhlands
Erfahrungen.
Anke Baumann zufolge sind dessen Problemschilderungen keine Frage der Besitzverhältnisse: »Auch in unseren
eigenen, kleineren Filialen hat es Mittagspausen und Warteschlangen gegeben.«
Stefan Ruhland zweifelt weiterhin:
Die Kompetenz der Mitarbeiter sei zu hinterfragen. »Grün-As«
hinterfragte, und registrierte dabei
Beruhigendes und Beunruhigendes: Einerseits betreue die Post mit Schulungen und Mitarbeiter-Hotline die Einzelhändler
»wirklich sehr gut«
(Hinerasky).
Kompetenz, Auftreten und Wartezeiten werden von Testkäufern anonym geprüft. Eine von der Besitzerin vorgelegte
Auswertung mit durchweg guten Noten sei Baumann zufolge nicht nur ein pressetaugliches Vorzeigeexemplar: »Wir sind
mit der Entwicklung dort zufrieden.«
Abstriche bei den Wartezeiten seien aber auch von Testkunden bereits
bestätigt worden. Andererseits steht es teilweise im Ermessen der Händler, wie akribisch sie die Schulungsangebote der Post
wahrnehmen. Auch die Frage nach geeignetem Personal wird auf den Händler verlagert - unvergleichbar mit einer Auswahl samt
normierter und intensiver Ausbildung bei der Post selbst.
Im Unternehmen wird das recht unproblematisch betrachtet: »Auch in einer Ausbildung bei uns ist das
Filialgeschäft nur ein Teil«
, sagt Baumann. Vieles sei antrainierbar, Quereinsteiger gebe es in vielen weiteren
Bereichen. Sonja Hinerasky zufolge sind Fehlauskünfte trotz hoher eigener Motivation auch in ihrem Shop nicht völlig
auszuschließen. Möglich sei dies etwa dann, wenn unsichere Mitarbeiter auf Rückfragen oder einen vielleicht nötigen Anruf
bei der Betreuung verzichten. Weil das Team der neuen Poststelle auch Dienstleistungen im Auftrag der Postbank übernimmt,
stellt sich die Frage nach Kompetenz ganz besonders.
Hinerasky, die zuvor kein Blatt vor den Mund genommen hatte, hebt beim Thema Bankgeschäft die Hände:
»Diesbezüglich bin ich zum Schweigen verpflichtet.«
Aus der Pressestelle verlautet, dass es sich bei
Finanzdienstleistungen nur um einfache Sachverhalte rund um das normale Konto handelt. Für alle anderen Dinge werde an die
Berater der Bank verwiesen.
Stefan Ruhland hat an die Post geschrieben: Nachdem er in der Filiale keine Veränderungen bewirken konnte, sendete er
seine Kritik an die Bonner Zentrale. »Das wird die Post wenig interessieren«
, ahnt Sonja Hinerasky und
behält Recht. Denn entweder hat der antwortende Bearbeiter die Eingabe kaum gelesen, oder sich bei der Wahl seines
Formschreibens tüchtig vergriffen.
Ruhland kritisierte die Mittagspausen und bekam zu lesen: »Durch die längeren Öffnungszeiten unserer Partner
haben unsere Kunden zudem einen deutlich verbesserten Zugang zu unseren Produkten.«
Ruhland kritisierte die
beengten Verhältnisse in einer Großstadt- Filiale und bekam zu lesen: »Unsere Partner-Filialen werden besonders in
ländlichen Regionen gut angenommen.«