Angemerkt:
Schwierigen Spagat nachvollziehbar machen!
Was werden sich die Post-Mitarbeiter kurz vor Schließung der Filiale Selliner Straße über ihren Arbeitgeber gefreut
haben! Etwa zeitgleich nämlich lässt das Unternehmen auf riesigen Plakaten, so entlang der Lützner Straße, vom Post-Service
künden: »Kundennähe ist für uns ein Versprechen, das wir mit über 1.000 neuen Filialen eingelöst haben«
oder ähnliche Informationen wurden dabei unters Volk gestreut.
Es ist die Wahrheit, aber zugleich ein Hohn. Denn für nicht-ländliche Gegenden gilt: Erst werden kostengünstige Einzelhändler als Ersatz gesucht. Dann können bestehende teure Filialen geschlossen werden - so wird gesetzlichen Vorgaben zum Filialnetz entsprochen. Die räumlichzeitlich abgespeckte Poststelle im Grünauer WK 8 gehört zu eben jenen Beispielen, die als Neueröffnung auf den Plakaten gefeiert wird.
Auch für dörfliche Strukturen gibt es Regelungen, wann eine Poststelle her muss oder nicht. Die Post eröffnet nicht, weil sie will - sondern weil sie muss. Es ist selten, dass ein Unternehmen nicht das Totschlagargument des Sparzwangs anführt, um Auslagerungen zu rechtfertigen. Allerdings wäre es hier ehrlicher, als dem Kunden eine Service-Offensive vorzugaukeln.
Das Ende des Briefmonopols und billige Angestellte bei konkurrierenden Briefdiensten sind nachvollziehbare Gründe dafür, dass die Post nicht (mehr) an jeder dritten Ecke mit einer Groß-Filiale aufwarten kann. Das Problem ist also nicht die Entscheidung selbst, sondern das Heile-Welt-Marketing rundherum, durch das sich der Kunde ruhig ein wenig veralbert vorkommen darf. Genauso wie der Grünauer, der sich über die längeren Öffnungszeiten in seinem Heimatdorf doch lieber freuen sollte. Mit freundlichen Grüßen aus Bonn.
Dabei ist die Post beileibe kein mittelalterlicher Kutschendienst mehr. Briefe kommen üblicherweise am Folgetag an, darüber können auch einzelne Pannen nicht hinweg täuschen. Kreative Ideen wie Handyporto, Internetbriefmarke und Packstationen zeugen von moderner Logistik, für die auch der ewig gestrige Ost-West-Vergleich nicht ernsthaft bemüht werden sollte. Es wäre aber ratsam, dass die Post sich ihren Kunden gegenüber besser erklärt. Denn die Einschnitte sind evident und werden von der Besitzerin nicht einmal kleingeredet.
Allein es mangelt an der sachlichen Erklärung von Zwängen. Wenn die Post uninteressiert dabei zusieht, wie der Handelspartner wenig von seinem Zusatzgeschäft profitiert und dann noch (fälschlicherweise) zur Zielscheibe von Kundenreklamationen wird, kratzt das nicht zuletzt durch die Unzufriedenheit beim Verkäufer selbst weiter am Post-Image. Aber das wird schließlich mit Plakaten aufpoliert.
Reinhard Franke