»Heut' komm' ich und locke im feurigen Rocke...«
Der Kultursommer beginnt mit Singspiel um einen betrogenen Spielmann
Was ist da eigentlich falsch gelaufen, damals in Hameln? Darüber haben schon die Grimm's geschrieben. Und Goethe eine Ballade gedichtet.
Freddy Krueger ahmte ihn nach. Bei Brecht, Hannes Wader und in »Shrek«
taucht er auf - der Rattenfänger. Weltkulturerbe inzwischen. »Heut' spiele ich wieder, / spiel? Tänze und
Lieder!«
Ein Spielmann. Ein Einsamer. Ein bunter Vogel. Ganz anders als die braven Hamelner Bürger. Und schon deshalb verdächtig. Die Redlichen gehen geregeltem Tagewerk nach. Mit festem Wohnsitz.
Mit Weib und Kind. Mit Hab und Gut. Die Räder der Wassermühlen spülen Wohlstand heran. Der Wohlstand den Müll. Der Müll die Ratten ... Kein Ort mehr für Kinder. Kein Lachen. Kein Singen.
»Beim Spielmann ist es lustig«
, erklärt Annalena (6) bei einer der Proben. Ryan (4) spielt zum ersten Mal mit den anderen Kindern und freut sich, dabei zu sein. Finja, die Zweijährige,
dreht sich zur Musik. Ihre Schwester Anouk (5) ist schon Chorkind.
Der Bürgermeister indes sieht seine Stadt aus den Fugen. Verspricht 100 Gulden dem, der die Rattenplage beseitigt. Ordnung muss wieder her. Der Spielmann nimmt den Auftrag an. Seinem Flötenspiel folgen die Tiere, laufen in einer Reihe hinter ihm her. Die Kinder dazwischen, tanzen und lachen, bis zum Osttor der Stadt. Dort ertrinken die Ratten im nahen Fluss. Die Kinder sind begeistert.
Nicht so die Hamelner Bürger: »Nur eine halbe Stunde Arbeit!«
Jetzt, da die Plage vorbei ist: »Ein Gulden ist genug!«
Dem wollten sie die Flötentöne schon beibringen!
Die Kinder sind empört. Florian (7) weiß es noch ganz genau: »Sie haben ihm 100 Goldstücke versprochen.«
Auch Karolin (7) ist sich sicher: »Was man versprochen hat, muss man halten!«
Der Spielmann ist enttäuscht. Er fordert seinen Lohn. »Zauberei!«
spotten die Bürger. Sie
lachen ihn aus. »Rattenfänger!«
- macht's die Runde. Erst leise. Dann alle: »Rattenfänger!«
Eva-Maya (5) ist richtig zornig: »Die lachen nur, weil er anders
ist.«
Thaddäus, der zehnjährige Blondschopf, hat das Ausgegrenztsein als »Grünes Schaf«
im letzten Sommersingspiel am eigenen Leib erfahren.
Und dann war er / das »Grüne Schaf«
am Ende sogar der Held. Da haben alle ganz schön was gelernt. Er ist auch wieder beim Singspiel dabei. Sein Freund Eddy (10) sieht die Situation
deshalb ganz unstrittig: »Der Spielmann hat sein Wort gehalten und seine Arbeit gemacht!«
Vielleicht. Zuschauer und Mitspieler sollen sich ihre eigene Meinung bilden. Mandy Uhlig, die
Gemeindepädagogin, führt Regie.
»Die Geschichte vom Rattenfänger ist immer wieder interpretiert worden. Sicher ist - die Kinder fühlen sich beim Spielmann wohl. Seine Musik lädt sie ein zum Träumen, zum Tanzen, zum Spielen.
Bewahrt ihnen ein Stück Kindheit.«
Ein Gedanke, den Kantorin Elke Bestehorn beim Einüben der Tänze und Lieder unbedingt aufgreifen möchte: »Im leichten, spielerischen Chorgesang lehnen wir
unser Theaterspiel an die musikalische Vorlage von Günther Kretzschmar an. Wir begeben uns alle gemeinsam auf Spurensuche: Was lesen wir heute für uns aus der Geschichte heraus?«
Inzwischen ist es schöne Tradition, dass der Ökumenische Chor und Mitglieder der Evangelisch- Lutherischen Pauluskirchgemeinde und der Katholischen Martinsgemeinde Grünau mit immer neuen spannenden
Inszenierungen alljährlich den Grünauer Kultursommer eröffnen. Mit anspruchsvollem Gesang der Älteren und leichter Hand für die Jüngsten. »Die Großen binden die Kleinen unkompliziert in die Handlung
ein. Nach einigen Proben haben sich selbst die Jüngsten wie leichthin die Melodien und die Texte gemerkt.«
Mit Ehrgeiz und Engagement sind auch die Erwachsenen bei der Sache. Bereiten sich selbst als Bürgermeister, Ratsherren, Nachtwächter, Bürger von Hameln vor. Muttis nähen Kostüme. Viele haben sogar das Singspiel auf CD mit nach Hause genommen, um zu üben.
Schon die ersten Proben zeigen, dass hier wieder Sehenswertes entsteht. Seien Sie dabei, liebe Leser. Am Samstag, 21. Juni um 17 Uhr in der Pauluskirche. Und erleben Sie ein ganz eigenes, spannendes Ende
der alten, ewig jungen Geschichte. Dann spielt er auf, der Rattenfänger: »Heut' komm' ich und locke / im feurigen Rocke.«