Museums-Feldbahn auf großer Fahrt
Verein plant Erweiterung des Streckennetzes bis Haltepunkt Luisenbrücke
Da staunt sogar Carl Heine bei seinem Besuch: Die kleine Feldbahn - 1856 einst beim Bau seines Kanals angelegt, dreht auch nach 150 Jahren noch ihre Runden. Damals schleppte sie Kies und die hölzernen Loren wurden von Pferdefuhrwerken gezogen. Heute ist die schmucke Bahn für kleine und große Fahrgäste da. Eisenbahnliebhaber und Fotofreunde kommen zu den Fahrtagen und lassen sich kein Detail entgehen.
Veit Bruchmann freut sich über jeden neugierigen Gast: »Da lohnt sich doch die ganze Liebe und Arbeit, die wir in die Erhaltung und Pflege der Feldbahnanlage und Fahrzeuge legen.«
Aus
einer Interessengemeinschaft ist 1995 ein eingetragener Verein geworden. Im kommenden Sommer haben sie Zwanzigjähriges.
Dazu wollen sie sich und ihrer kleinen Feldbahn ein ganz besonderes Geschenk machen - die Streckenführung um zwei Haltepunkte erweitern. »Bis zur Luisenbrücke soll künftig die Reise
gehen«
, erklärt der 43-Jährige. »Die alte Gleisanbindung des Anschlussgleises Richtung Hafen liegt ja noch und soll auf die Spurbreite von 800 Millimeter umgebaut werden.«
Die
Straßenquerung am Autohaus Huth ist bereits gelegt.
Das sind ehrgeizige Pläne, die die knapp 25 Vereinsmitglieder nicht allein stemmen können. Sie sind alle im Ehrenamt tätig. Finanzieren sich aus Fahrgasteinnahmen und Mitgliedsbeiträgen, Spendengeldern und Zuwendungen. Zehn offizielle Fahrtage gibt es in der Saison. Angeboten werden darüber hinaus Geburtstagsfahrten, Schulanfangsfeiern, die jährliche Nikolausfahrt, Lampion- und Sandmännchenfahrten oder Fototermine.
Sogar eine Filmcrew hat schon auf dem Gelände gedreht. Die heute zirka 1,5 Kilometer lange Fahrstrecke beginnt am Haltepunkt Schomburgkstraße, unterquert die Lyoner Straße, biegt in den Schwarzen Weg und endet an den Schönauer Lachen. Dort ist der Endpunkt der Strecke mit einem Prellbock markiert. Die kleine Lok wird abgekoppelt, passiert Wagen und Besucher auf einem Ausweichgleis und zieht, wieder mit dem Zug verbunden, die begeisterten Gäste zurück zu den Speicherbauten am Lindenauer Hafen - bald vielleicht bis zur Luisenbrücke, um dann auch dort über ein Ausweichgleis zu wenden.
Bei einer Reisegeschwindigkeit von knapp 10 km/h ist man etwa 40 Minuten unterwegs. Und mit einem Ticketpreis von drei Euro preiswert auf Achse. Im Museumsbahnhof kann man dann die verschiedenen - teils aufwändig restaurierten - Loks und Wagen besichtigen, die zum Fuhrpark des Vereins gehören.
Immer sind auch genug Vereinsmitglieder anwesend, die gern und ausdauernd alle Fragen beantworten. Eine Draisine zum Ausprobieren fit machen. Einen Blick ins Fahrerhaus gestatten. Oder den
Eimerkettenbagger »anwerfen«
, um anschaulich vorzuführen, wie das damals ging, mit dem Kiesabbau. Und dabei noch Anekdoten und Geschichten parat haben, woher sie die eine oder andere Lok
bekommen haben.
Oder was sie wiegt. Da haben die Jungs doch tatsächlich mal eine samt Waage an den Kran gehangen und nachgemessen. Immerhin - drei Tonnen. Obwohl sie doch eher auf schmalem Fuß daherkommt ...
Überhaupt ist da über die Jahre ein zuverlässiges Team zusammengewachsen. Ein Student ist dabei, Meister und Ingenieure, Handwerker, Auszubildende und ein Krankenpfleger. Sogar ein Polizist. Angefangen hat die Begeisterung bei allen einst unter dem Tannenbaum. Damals, als der Vati wochenlang heimlich gewerkelt und erweitert hat, und manch einer der damaligen Knirpse ja nichts anfassen durfte.
Heute sind sie selbst und mit echten Lokomotiven unterwegs. Einige davon sind sogar in Privatbesitz. Veit Bruchmann, den Vereinsvorsitzenden, lässt die Bahnleidenschaft selbst im Urlaub nicht los. Letzten Sommer war er mit Freunden in der Schweiz und hat sich mal ausgiebig angesehen, wie die Eidgenossen ihre Schmalspur-Bahnen pflegen. Ist durch steinerne Tunnels und über metertiefe Viadukte gefahren und hat einen ganzen Berg voller Fotos mitgebracht.
Überträgt sich diese Begeisterung auch auf den Nachwuchs? »Fast alle Knirpse im Vorschulalter wollen nach einem Besuch bei uns Lokführer werden«
, erzählt Veit Bruchmann lächelnd.
»Aber dann dranbleiben, jeden Samstag schleifen, schweißen, lackieren, schrauben ... Das ist wie mit einem guten Pferd - auf eine Viertelstunde Reiten kommt eine halbe Stunde Stall
ausmisten.«
Der gelernte Fahrzeugschlosser selbst hat bestimmt einige Promille Motorenöl im Blut. Er ist bei Wind und Wetter hier zu finden. Projektbezogen, wenn's sein muss, auch mal mehrere Tage am Stück. Neben der eigentlichen Fahrzeuginstandsetzung und -wartung müssen die Gleise ausgerichtet und gepflegt werden. Grünschnitt fällt an und muss entsorgt werden. Knifflige Reparaturen gehen auch schon mal an einheimische Werkstätten oder Bahnwerkstätten außer Haus.
Eigentlich liegt immer etwas an. Gerade bauen die Männer am Fundament einer Fahrzeughalle. Der Rohbau soll möglichst noch vor dem Winter stehen. Da heißt es schon, richtig zupacken. Gut, dass Bahner auch gesellige Menschen sind. Der einladende Grillplatz auf dem Gelände lächelt schon dem Feierabend entgegen.
Silke Heinig