20 Jahre Netzwerk älterer Frauen
Eine beeindruckende Bilanz - Teil 1
Am 24. August 1995 gründeten wir das Netzwerk älterer Frauen Sachsen (e.V.). Ein Grund war, für die Region von Meyersdorf auch einen Verein zu haben, der sich um die soziale Betreuung der älteren Menschen kümmern sollte. Gleich nach der Wende war der Verband Altenkultur in Köln gegründet worden und es war die erklärte Absicht der Leipziger Geschäftsstelle, in einem Haus viele Vereine anzusiedeln.
Ich ließ mich von diesen Vorstandsfrauen und auch von Roswitha Scholz, der Leiterin der Leipziger Geschäftsstelle des Verbands Altenkultur, überzeugen und so kam es zur Netzwerk-Gründung. In der Herrmann-Meyer-Straße 38. Das ist also unser Geburtshaus. Als erstes galt es, die Leipziger Ämter von der Notwendigkeit unserer Existenz zu überzeugen. Die Frauenbeauftragte der Stadt fand zwar, dass wir mit einem Eintrittsalter von 45 Jahren ganz schön alt seien, aber dann meinte sie, es gäbe ja in der Tat viele ältere Frauen in Leipzig, für die das interessant sein könnte.
Das Sozialamt bekräftigte unser Vorhaben, vor allen Dingen ältere Menschen zu betreuen, um sie aus der Isolation herauszuholen. Im Kulturamt hörte ich allerdings: Mit dem Namen werden Sie bei uns nie eine Chance auf eine Förderung haben, es sei denn, Sie spielen Theater. Schon auf der Rückfahrt nach Meyersdorf war mir klar: Wir werden Theater spielen. Und der Gedanke fand ein begeistertes Echo. Wir erarbeiteten als eines der ersten Vorhaben ein Theaterprojekt. Wir wollten Erinnerungstheater machen. Erfreulicherweise konnten wir Küf Kaufmann als Regisseur gewinnen, der in St. Petersburg in diesem Beruf gearbeitet hatte und über umfangreiche Erfahrungen verfügte.
»Weiberlust und Weiberfrust«
hieß unser Theaterprojekt, das
wir dann auf die Bühne brachten
und mit dem wir Leipzig und Umgebung
unsicher machten. Natürlich
hatten wir es leicht, zuallererst
die Herzen unserer Netzwerkfrauen
zu gewinnen. Thea K. erzählte
mir, dass sie sich vier Aufführungen
von uns angesehen habe.
Wir spielten beim Seniorenfestspiel
des Freistaates Sachsen,
im Haus Steinstraße und erhielten
auch eine Ein ladung, zur Museumsnacht
im Zeitgeschichtlichen
Forum Leipzig aufzutreten. Auftritte
folgten in der »Völkerfreundschaft«
, im KOMM-Haus,
im Alten- und Pflegeheim der
AWO.
Aber auch auf sozialer Strecke konnten wir uns entfalten. Unser Angebot, älteren Menschen behilflich zu sein, die nicht mehr allein ihre Wohnung verlassen konnten, fand bald ein großes Echo. Damit bot sich auch vielen älteren Frauen die Chance, noch einmal eine Tätigkeit zu erhalten, wenn auch nur als ABM. Wir haben Begleitdienste zu Ärzten und Ämtern organisiert, Hausbesuche und Gespräche standen auf unserem Programm. Wir haben geholfen, wenn der Weg ins Heim notwendig wurde. Viele ältere Frauen haben in den 20 Jahren unserer Existenz wieder eine dankbare Aufgabe für eine sinnvolle Betätigung gefunden. Dann aber hatte das Arbeitsamt keine Möglichkeit mehr zur Förderung solcher Stellen gesehen. Wir mussten neue Wege gehen.
Alle Arbeit verlagerte sich auf die ehrenamtliche Tätigkeit. Einige Frauen, die mit ABM bei uns gestartet waren, sind bis heute noch in irgendeiner Form bei uns ehrenamtlich tätig und es sind etliche Netzwerkfrauen, die gern diesen Weg der Ehrenamtlichkeit beschritten haben.
Als Frauenverein waren uns
natürlich Projekte von und mit
Frauen wichtig. Fast von der ersten
Stunde an führen wir die Porträtreihe
»Frauen aus unserer Mitte«
durch. Einmal monatlich stellen wir
eine Leipziger Frauenpersönlichkeit
vor, die Auskunft gibt über den
Lebensweg und die Familie, vor
allem aber über die berufliche Entwicklung
nach der Wende. Wir
hatten nämlich als Defizit in der
Nachwendezeit festgestellt, dass
viele ältere Frauen plötzlich aus
ihrem Erwerbsleben ausgeschieden
waren und keine Möglichkeit
mehr sahen, sich irgendwie einzubringen.
Unsere Vorstellungsrunden
sollen vor allem motivieren,
sich nicht aufzugeben.
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Gisela Kurtz