40 Jahre Grünau
Start in ein abwechslungsreiches Veranstaltungsjahr
Als die Volkshochschule im April 2015 zum Workshop »40 Jahre Grünau«
in die Räumlichkeiten des KOMM-Hauses einlud, hatten sicher nur wenige der dort Anwesenden das diesjährige Jubiläum
schon auf dem Schirm.
2016 schien noch eine Ewigkeit weit weg zu sein und doch sollte sich im Laufe der Zeit zeigen, wie sinnvoll dieser lange Vorlauf war. Allmonatlich tagt seither eine Koordinierungsgruppe, welche sich aus ganz verschiedenen Akteuren und Grünauer Bürgern zusammensetzt.
Ganz allmählich nahmen im Laufe der vergangenen Monate die vielen, beim ersten Treffen gesammelten Ideen Gestalt an. Aus anfänglichen Spinnereien wurden konkrete Projekte, an deren Umsetzung manch einer zunächst kaum zu glauben gehofft hatte. Von anderen mussten sich die Initiatoren hingegen schweren Herzens verabschieden.
Pünktlich zum Start ins Stadtteiljubiläum ist das Grobkonzept nun erarbeitet, in dessen Mittelpunkt eine Festwoche rund um den 1. Juni, dem Tag der Grundsteinlegung vor vier Jahrzehnten steht (einen herausnehmbaren Veranstaltungskalender finden Sie im Mittelteil der aktuellen Papier-Ausgabe). 40 Jahre – es mag Leute geben, die einem solchen Geburtstag nicht sonderlich viel Bedeutung beimessen.
Zugegeben: Es gibt bedeutend ältere Stadtteile und sicher auch wichtigere Jubiläen. Doch gerade für Grünau mit seinem schwierigen Image, der auffälligen Diskrepanz zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung sowie den ganz eigenen Problemlagen, ist es wichtig dieses Ereignis gebührend zu feiern.
Das Viertel hat wie kein zweites in Leipzig seit der Wende eine erstaunliche Entwicklung genommen. Einst Wunschadresse für sehr viele Menschen, die ihren maroden Altbau- Wohnungen entkommen wollten, legte die Muster-Großwohnsiedlung nach 1989 einen rasanten Abstieg hin. Fast die Hälfte der knapp 90.000 Einwohner verließ Grünau. Die Folge waren ein massiver Leerstand und letztlich der Abriss ganzer Wohnscheiben.
Mittlerweile hat sich der Stadtteil wieder berappelt. Das hängt zum einen natürlich mit dem anhaltend hohen Bevölkerungswachstum der Gesamtstadt zusammen. Zum anderen darf die erfreuliche Entwicklung getrost auch einem Großteil der hiesigen Bewohner angerechnet werden. Arbeiterschließfächer wurden ihre quadratisch, praktisch, guten Plattenbau-Wohnungen verächtlich genannt – ihr Lebensumfeld zum sozialen Brennpunkt erklärt, von den Medien nur beachtet, wenn mal wieder eine Oma überfallen wurde oder eine Kinderbande ihr Unwesen trieb.
Dass viele Grünauer noch immer sehr gern im nach wie vor größten Viertel der Messestadt leben, wurde dabei trotz aussagekräftiger Studien wie die des Umweltforschungszentrums (siehe vorherige Seite) geflissentlich ignoriert, wenn nicht gar belächelt. Die Reaktion der Stadtteilbewohner könnte man schon beinah als trotzig bezeichnen.
Während sich einige geradezu schämten, zuzugeben in Grünau zu hause zu sein, versuchten andere aufopferungsvoll und ehrenamtlich, dem unfreiwillig aufgestülpten negativen Image entgegenzuwirken.
Geburtsstunde des »Grünauer Widerstandes«
waren einst die Vorbereitungen zum 20. Stadtteilgeburtstag.
Viele der 1996 entwickelten Ideen und Projekte, welche auch damals größtenteils durch Bürger initiiert wurden, haben bis heute Bestand und bereichern das hiesige kulturelle Leben. So hat sich beispielsweise das Schönauer Parkfest als größtes Stadtteilfest ganz Leipzigs etabliert und lockt Jahr für Jahr tausende Besucher auch aus anderen Gegenden nach Grünau.
Ob auch aus den nun angeschobenen Aktionen und Veranstaltungen zur 40-Jahrfeier eine ebensolche Erfolgsgeschichte wird, bleibt abzuwarten und hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie sie von den Grünauern selbst angenommen werden. Eigentlich dürfte für jeden Geschmack etwas dabei sein, denn die Palette der Angebote reicht von sportlichen Events über künstlerische, kulturelle, kulinarische, festliche und historische Highlights bis hin zu spannenden Entdeckungen im und ums Quartier. Darin eingebunden sind etliche individuelle Jubiläen hiesiger Einrichtungen.
Eines ist in Vorbereitung des nun angebrochenen Festjahres wieder einmal ganz deutlich geworden: Dieser Stadtteil hat jede Menge Potenzial und viele Gesichter. An einer Ecke vielleicht laut, wild, bunt und an der nächsten dafür beinah beschaulich. Ein Stadtteil eben, der Alles und Jeden verbindet.
Klaudia Naceur