Grün-As
Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Ein Jubiläum im Jubiläum

20. Auflage des Kultursommers startet

»Wahrlich, es könnte nicht kontrastreicher sein, das Kulturangebot im Jubiläumsjahr von Leipzig-Grünau«. Mit diesen Worten leitete der für den Stadtteil zuständige Kulturamtsmitarbeiter Dietmar Voigt die Geburtsstunde des Grünauer Kultursommers vor 20 Jahren ein.

Da hieß die Veranstaltungsreihe noch »Konzertsommer« und der damalige Kulturbürgermeister Dr. Georg Girardet lobte das Experiment im Leipziger Westen wie folgt: »Händel auf der Platte gibt es schon; Händel um die Platte hatten wir auch; aber Händel in der 'Platte' ist neu.«

Damit bezog er sich auf das Eröffnungskonzert in der Aula der Ratzelschule, bei dem junge Künstler der Leipziger Musikschule unter anderem Werke von Händel spielten. Die Sommersonntage 1996 standen im Zeichen der Musik. Die Grünauer hatten sich mit diesem ersten Jubiläumsprogramm selbst belohnt und gleichzeitig trotzig den Finger gehoben: »Wir sind noch hier und wir beleben unseren Stadtteil!«

Zwei Jahrzehnte sind vergangen. Eine Zeit, in denen sich nicht nur Grünau enorm gewandelt hat. Der Kultursommer nahm ebenfalls eine rasante Entwicklung. Während im ersten Jahr lediglich neun Konzerte von Klassik bis Moderne auf dem Programm standen, hatte sich das Kulturamt zur zweiten Auflage bereits etliche lokale Vereine und Stadtteilakteure mit ins Boot geholt.

Neben Musik, unter anderem von »Renft« in der Völle, dem Synagogalchor in der Kirche St. Martin oder der Uraufführung der eigens für Grünau komponierten »Rocksinfonischen Suite Grün-Au« im KOMM-Haus, waren auch schon die ersten Inszenierungen des Theatriums und von Schülern des Ratzel-Gymnasiums, zwei Ausstellungen und natürlich das Schönauer Parkfest Bestandteil des in »Kultursommer« umgetauften Eventmarathons. 1998 erweiterte sich anlässlich des 10. Geburtstages der Stadtteilbibliothek Nord der Veranstaltungskalender um eine Vielzahl literarische Programmpunkte für Jung und Alt. Insgesamt wurden im dritten Jahr zehn Veranstaltungsorte mit 19 Ereignissen von 300 Akteuren bespielt. Rund 5000 Interessierte nahm das Kultur-Angebot wahr.

Was zunächst nach einer raschen Entwicklung nach oben klingt, bedeutete für das Kulturamt als Initiator dennoch einen kleinen Rückschritt. So stellt die Stadtteilkulturbeauftragte Britt Schültzky nach Ende des KuSo 1998 die Frage: »Woran lag es, dass der Besucherstrom wie er 1996 und 1997 zu erleben war, in diesem Jahr ausblieb?« Die Auswahl der Veranstaltungen wurde ihrer Meinung nach »sehr sorgfältig vorgenommen immer im Hinblick darauf, Grünaus Kulturlandschaft und damit das Leben der Bewohner in diesem Stadtteil zu bereichern«.

Stand das wagemutige Projekt, Trubel in die Leipziger Schlafstadt zu bringen, bereits nach drei Jahren vor dem Aus? Nein. Das Kulturamt bat die Grünauer um Hilfe. Diese konnten fortan Hinweise, Wünsche und Kritik beim Stadtteilkulturbüro in der Völle loswerden und taten es offenbar auch. Denn das Programm zum 4. Kultursommer 1999 war mit 39 Veranstaltungen zwischen Juni und September deutlich umfangreicher und auch vielfältiger. Neben den Klassikern Konzert, Theater, Lesung und Ausstellung, kamen neue Formen wie ein Erzählcafé, Straßenfeste und für die Kids Tanzworkshops und Disko hinzu.

Vier Jahre später – der Stadtteil muss einen extremen Einwohnerschwund und in der Folge den Rückbau ganzer Wohnscheiben verkraften – kämpft auch die Grünauer Kulturreihe erneut ums Überleben. Diesmal nicht mangels Interesses der Stadtteilbewohner sondern aufgrund erheblicher Mittelkürzungen durch die klamme Kommune. Aber die hiesigen Akteure wären nicht sie selbst, hätten sie nicht irgendwie versucht, den KuSo trotz klaffender Finanzlücke auf und über die Bühne zu bringen. Not macht erfinderisch und so merkten viele Grünauer nicht einmal, dass die ein oder andere Low-Budget-Veranstaltung unter anderen Umständen nie stattgefunden hätte. Einige von ihnen sind auch heute noch fester Programm-Bestandteil.

Und noch etwas wurde seit 2003 zur guten Tradition: Die feierliche Eröffnung mit einem Musical des Ökumenischen Kinder- und Jugendchores der Gemeinden Paulus und St. Martin und unter Leitung der Kantorin Elke Bestehorn. Zwölf Jahre lang hielten die Veranstalter daran fest, bis man 2015 zum ursprünglichen Konzept der wechselnden Eröffnungsorte und Kulturformate zurückkehrte. Das zurückliegende Jahr markiert ohnehin eine gewisse Wende in der Geschichte des Grünauer Kultursommers.

Erstmals wurde die Organisation der erfolgreichen Veranstaltungsreihe mit einem mittlerweile breit gefächerten Angebot von über 50 Veranstaltungen und Ausstellungen an einer Vielzahl von Grünauer Orten in die Hände des Trägervereins des Theatriums »Großstadtkinder« gegeben. Eine Neuerung, die den Kultursommer aufpeppen und neue Zielgruppen auch außerhalb des Stadtteils ansprechen sollte. Unglücklich kommuniziert sorgte diese Veränderung jedoch zunächst für gewisse Unstimmigkeiten, fühlten sich doch einige der langjährigen Akteure vor den Kopf gestoßen. Der Start in eine neue Grünauer Ära war mithin nicht ganz geglückt. Doch längst sitzen alle Streiter für die kulturelle Sache wieder an einem Tisch und das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit kann sich sehen lassen.

Die Grünauer dürfen sich vom 1. Juni bis zum 18. September auf ein pickepackevolles Sommerprogramm freuen. Los geht es mit der Jubiläumsfestwoche vom 1. bis 5. Juni, deren absolutes Highlight sicherlich die Rückkehr des »Bachkopfes« des Theaters Titanick am 4. Juni sein dürfte. Begleitet von einer Tanzkarawane und mit viel Musik wird er sich an diesem Tag durch den Stadtteil bewegen. Eine Woche später findet dann mit der Aufführung des Musicals »David und Jonathan« die offizielle Eröffnung des KuSo 2016 in der Pauluskirche statt.

Blickt man auf die Vielzahl der diesjährigen Programmpunkte, die durch das Grünauer Jubiläumsjahr noch deutlich angereichert sind, kann man die vor 20 Jahren ausgesprochenen Worte von Dietmar Voigt nur noch einmal wiederholen: Wahrlich, es könnte nicht kontrastreicher sein, das Kulturangebot im Jubiläumsjahr von Leipzig-Grünau.

Weiter>>>
Karte