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Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

»Homestorys« - Spielerische Selbsterkenntnis

Der Weg zur Demokratie führt durch Grünauer Wohnung

Was, das sind nur Vorurteile? Ich hab' doch keine Vorurteile! Nur die Andern haben Vorurteile ... Der Liedtext des Rappers Fatoni könnte in Dauerschleife durchs Erdgeschoss des 16-ers in der Stuttgarter Allee 30 schallen.

Thematisch würde der Song auf jeden Fall perfekt in die Interims-Theater-Wohnung passen. Detailverliebt eingerichtet von den Pädagogen des Theaters der Jungen Welt, die in Zusammenarbeit mit den Vereinen Forum B und RAA Leipzig in Grünau ein Projekt zu Demokratie, Zusammenleben und eben auch Vorurteilen anbieten. Gerichtet ist das Angebot unter dem Titel »Homestorys« in erster Linie an Schüler ab 14 Jahre.

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Homestorys

Vier Stunden dauert ein Projekttag und die benötigt man auch, will man sich eingehend mit der Materie auseinandersetzen. Drei Räume, die unterschiedlicher nicht sein könnten, gilt es zu erforschen. Was sagen beispielsweise Möblierung und Zustand eines Zimmers über dessen Bewohner aus? Stimmt der erste Eindruck oder gibt es Widersprüche?

Essen eigentlich auch Männer gesunde Sachen? Machen nur junge Leute Unordnung? Besitzen tatsächlich lediglich ältere Menschen eine Schrankwand? Und wenn ja: Was macht dann überhaupt die Shisha darin? Es gibt wohl kaum einen Projektteilnehmer, der nicht sehr schnell mit seinen eigenen Vorurteilen konfrontiert wird. Spätestens, wenn er den fiktiven Steckbrief eines möglichen Bewohners erfinden soll.

Na klar: Da heißt der Bauarbeiter, der in einem mit Pritsche und Spind recht karg eingerichteten Mini-Zimmer lebt, natürlich Ronny. Ronny hört am liebsten Techno, hat wechselnde Frauenbekanntschaften und geht nach der Arbeit auf Partys. Mit Fremdsprachen beschäftigt er sich nur, um mit seinen ausländischen Kollegen zu kommunizieren. Ist ja einfach. Aber könnte Ronny auch in der altmodischen, gemütlichen Stube leben? Gemeinsam mit dem dort vermuteten Rentner?

Während des Projekttages müssen sich die Jugendlichen mit dieser zwar hypothetischen, aber doch recht kniffligen Frage beschäftigen. Begleitet von einem anwesenden Theaterpädagogen entwickeln sie in kleinen Gruppen und im intensiven Austausch Personen, die durch irgendein Vorkommnis plötzlich zusammenleben sollen. Sie müssen Kompromisse aushandeln, aufeinander eingehen, sich zuhören, annähern und gegenseitig respektieren – sonst klappt es nicht mit dem neuen Zimmergenossen.

Was die Kids im Laufe des Rollenspieles ganz nebenbei lernen, ist so simpel wie genial: funktionale Demokratie. Das begeistert nicht nur die Bildungseinrichtungen, von denen nur positive Rückmeldungen kamen, sondern auch Vertreter der Stadtverwaltung sowie die Projektverantwortlichen selbst, welche nun nach Möglichkeiten suchen, die »Homestorys« fortzuführen.

Für Juni ist es bereits gelungen, weitere sechs Termine anzubieten. Ziel ist jedoch, den Weg zur Demokratie auch noch in der kommenden Spielzeit durch die Grünauer Wohnung führen zu lassen.

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