Bald beschlossene Sache!?
B-Plan »Kulkwitzer See«: Im November könnte abgestimmt werden
Dass zur letzten Ratsversammlung am 18. Oktober der Punkt 18.15 von der Tagesordnung verschwand, haben nur die wenigsten Grünauer mitgekriegt.
Und wenn sie es gemerkt hätten, dann wäre bei ihnen vermutlich kaum Verwunderung aufgekommen. Denn unter 18.15 verbarg sich nichts Geringeres als die Beschlussvorlage zum Bebauungsplan Nr. 232 »Erholungsgebiet Kulkwitzer See«, wie das Mammutpapier ganz offiziell heißt. Stadtplaner Heinrich Neu nennt den Plan aufgrund seiner Entstehungsgeschichte und der langen Erarbeitungszeit auch gerne mal »ein Unikum«. Und das ist nicht übertrieben.
Maßgeblich ist es Linken-Stadtrat Siegfried Schlegel zu verdanken, dass man sich nun doch noch einmal etwas genauer mit der Vorlage beschäftigt. Durch den Stadtbezirksbeirat West, der sich im September mit der Thematik befasste, ging die Vorlage beinah diskussionslos und einstimmig. Lediglich die Hartnäckigkeit einer Sitzungsbesucherin verzögerte den Abstimmungsprozess erheblich. Die Grünauerin verfolgt die schier endlose B-Plan-Geschichte seit Beginn an, war auch zeitweilig in der 2004 gegründeten IG See aktiv, steht mit Umweltverbänden sowie Stadträten im Kontakt und hatte viele Anregungen und Nachfragen im Gepäck. Allein sie erntete größtenteils lange Gesichter.
Kein Wunder bei 330 Seiten in zwölf Anlagen und der Teufel liegt ja bekanntermaßen eh immer im Detail. Man hätte sich also die Mühe machen müssen, alten und neuen Plan Punkt für Punkt durchzugehen. Kaum schaffbar für Feierabend-Politiker innerhalb nur weniger Tage. Selbst der Ökolöwe, in punkto Umweltschutz ansonsten fleißiger Schreiber von Stellungnahmen, streckte die Waffen. Gleiche Ermüdungserscheinungen konnte man bereits 2014 feststellen, als nach einem Vor- und zwei gescheiterten Entwürfen (siehe auch Zeitstrahl) der Öffentlichkeit das vierte Papier präsentiert wurde.
Auch damals regte sich zunächst nur zögerlicher Widerstand. Das hatte natürlich zum einen damit zu tun, dass die Verwaltung tatsächlich auf viele Einwände und Forderungen der Interessengruppen, Vereine und Privatpersonen eingegangen ist und somit die Seelen jener befriedet hatte. Zum anderen waren viele eifrige Streiter für den See nach zehn Jahren B-Plan-Erarbeitung nur noch froh, dass sich ein Ende der Geschichte anbahnt. Ein Ende von welchem sie sich einen neuen Anfang erhofften. Trotzdem bezogen auch zu diesem Entwurf Bürger und Vereine 200 Seiten lang Stellung.
Zuvor schickte die Linke dem Beschluss zur erneuten öffentlichen Auslegung des damals noch schlanken 60-Seiten-Papiers ein Aber in Form eines Änderungsantrages hinterher, der auch vom Rat so beschlossen wurde. Dieser besagt, dass die Uferbereiche uneingeschränkt freizuhalten, also öffentlich zugänglich sein müssen. Die Linke pochte somit auf einen Grundsatzbeschluss des Stadtrates aus dem Jahr 2009. Darin wurde festgelegt, dass innerhalb des Stadtgebietes grundsätzlich keine, auch nicht zeitlich befristete Absperrungen von Uferstreifen an Seen und unbebauten Randbereichen von Flussufern zuzulassen sind. Und sie pocht bis heute. Denn nichts anderes als genau diesen Grundsatzbeschluss führt Siegfried Schlegel in seinem aktuellen Änderungsantrag ins Feld.
Die Verwaltung hatte die drei Jahre alte Forderung nämlich nicht beachtet und im novellierten Plan das Ufer der Halbinsel als Privatstrand gekennzeichnet. Auf ihr befindet sich der Campingplatz und dieser ist seit 2004 – bis ans Gewässer – umzäunt und somit nicht öffentlich zugänglich. Dieser Umstand ärgert nicht nur Schlegel, der den Rückbau des Zauns erreichen möchte, sondern hat schon immer für Verstimmung unter den Freunden des Sees gesorgt. Der Grundsatzbeschluss zur Uferfreihaltung an Leipziger Gewässern wurde nicht zuletzt wegen der Kulki-Zäune gefasst. Die Camper können die jahrelange Aufregung um ihren »Privatstrand« freilich nicht verstehen. 2005 verteidigten sie ihren Zaun mit dem Argument, dass das Areal seit 1973 nur für Ferien- und Campingplatzgäste geöffnet war. Bis 1990 hätte man wohl wegen fehlender Mittel auf einen Zaun verzichtet, der dann nach der Wende lückenhaft erbaut und eben erst 2004 durch den neuen Pächter wehrhaft wurde.
Der Pächter ist seit 15 Jahren Christian Conrad und bleibt es voraussichtlich auch noch weitere 15. Eben darin liegt die Crux des Änderungsantrages. Sollte ihm entsprochen werden, muss der Verpächter, der Zweckverband »Erholungsgebiet Kulkwitzer See« den 2002 mit Conrad geschlossenen Vertrag nachverhandeln. Damals gab es die Forderung nach frei zugänglichen Uferbereichen noch nicht. Im Kontrakt wurde das Gebiet als nicht öffentlich deklariert. Der Vertrag ist gültig, der Zaun legal.
Dieses Problem sieht auch der Grünauer SPD-Stadtrat Heiko Bär. Eine Lösung könne man nicht über den B-Plan herbeiführen. Das läge in der Zuständigkeit des Zweckverbandes. Dass dieser durchaus gewillt ist, bestehende Beschlüsse umzusetzen, bewies er 2013, als er Christian Conrad mitteilte, er müsse die Terrassen am Roten Haus wieder zurückbauen. Auch damals ging es um die Freihaltung der Uferbereiche.
Doch zurück zum B-Plan: Heiko Bär möchte seinerseits ebenfalls zwei Änderungsanträge zur Vorlage einbringen. Zwar begrüßt er das Papier in seiner jetzigen Form grundsätzlich, weil damit endlich Planungssicherheit hergestellt werden könne. Vor allem freue er sich, dass mit Beschluss, die Voraussetzung für die lang erkämpfte Wegeverbindung von der Straßenbahnendstelle der Linie 1 bis zum See geschaffen wird, für die nunmehr auch die finanziellen Mittel zur Verfügung stünden.
Dennoch sieht der SPD-Mann Nachbesserungsbedarf. Eine echte Änderung des Planes beabsichtigt er jedoch nicht. Dies würde nämlich bedeuten, dass das gesamte Verfahren noch einmal komplett neu durchlaufen werden muss. Vielmehr will er der Verwaltung mit seinen Anträgen zwei zusätzliche Aufträge erteilen. So soll die Kommune dazu verpflichtet werden, über den Zweckverband ein Konzept zur finanziellen Untersetzung der dringend benötigten Investitionen am See vorzulegen und dieses dann natürlich auch umzusetzen. Beispielhaft dafür stehen seit Jahren fehlende, öffentlich zugängliche sanitäre Anlagen.
Die zweite Forderung betrifft den Bestandsschutz für kleinere Pächter, wie die Leipziger Delphine, den Bootsverleih oder die Klinke am Seeblick. Deren Verträge will er deutlich verlängern. Der Bestandsschutz war nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch den meisten Kritikern des B-Planes seit jeher ein wichtiges Anliegen. Zwar hatte man den Pächtern 2014 versichert, ihre Gebäude hätten »verbrieften« Schutz, aber weder damals noch heute ist das im Plan festgeschrieben. Die Gegner einer Bestandsschutz-Formulierung befürchten, dass Gebäude, die eventuell irgendwann einmal leer stehen könnten nicht abgerissen werden dürfen. Die Befürworter argwöhnen, die liebgewonnenen gastronomischen Einrichtungen und Freizeitangebote würden im Zuge einer verstärkten touristischen Vermarktung heimlich, still und leise vom See verdrängt.
Apropos touristische Vermarktung: Dass man Geld einnehmen muss, um einen See zu betreiben ist unumstritten – vor allem bei dieser Lage am Rande eines riesigen Stadtteiles wie Grünau, mit all ihren negativen Begleiterscheinungen. Diese Notwendigkeit der Vermarktung dürfte allerdings auch der Grund für die so lange Bearbeitungszeit des Bebauungsplanes sein. Hatten See-Liebhaber und Umweltverbände doch genügend Beispiele vor Augen, was an jungen Gewässern im Neuseenland geschah, wo eben jener Kulkipächter große Strandabschnitte privatisierte. Mit Skepsis und Beharrlichkeit haben sich die Grünauer seit 2002 für ihren See eingesetzt. Wenn der Bebauungsplan in hoffentlich absehbarer Zeit beschlossen wird, ist das aber nicht der Schlusspunkt. Denn jedem Ende wohnt ein Anfang inne...
Klaudia Naceur