Der Kulkwitzer See
Einer der wichtigsten Vorteile, die Grünau seinen Bewohnern bietet, ist der See am Stadtrand. Ich kenne nur wenige Städte in Deutschland, bei denen dichtbesiedelte Wohngebiete fast bis ans Wasser reichen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung des Sees auf das Mikroklima in Grünau: Im Sommer sorgt das Temperaturgefälle zwischen den aufgeheizten Wohnblocks und dem Wasser stets für eine kühle Brise, die das Klima wesentlich angenehmer macht, als das zum Beispiel in der Innenstadt der Fall ist.
Kein Zweifel, der See hat große Bedeutung für die Wohnqualität in Grünau. Kein Wohnungsunternehmen und keine Baugesellschaft rund um den See, die ihn daher nicht für ihre Werbung nutzt. Im schroffen Gegensatz steht, dass er in den Planspielen und Diskussionen um Grünaus Zukunft bislang kaum eine Rolle spielt.
Aber wie sieht es um den See aus? Entstanden ist er Anfang der 60er Jahre aus einem alten Tagebau. Er ist heute 150 ha groß und an der tiefsten Stelle hat er 36 m. Diese Stelle befindet sich in der Nähe der Markranstädter Ostsiedlung. Zum See gehören noch 300 ha Naherholungsgebiet, davon die Hälfte Wald, vorwiegend der Pappelwald zwischen Göhrenz und Markranstädt.
An heißen Tagen waren im letzten Sommer bis zu 25 Tausend Menschen am See. An den meisten schönen Wochentagen im Sommer kommen allerdings nur 5 bis 8000 Besucher. Zu DDR-Zeiten waren es manchmal über 35000. Nach dem Kollabs der DDR wurde es ruhiger um den See. Die weite Welt lockte. In den letzten Jahren sind aber wieder mehr Menschen zum See gekommen. Baden im Kulki ist immer noch die preiswerteste Variante.
Verwaltet wird das Naherholungsgebiet von einem Zweckverband, der momentan noch 12 fest angestellte Mitarbeiter hat. Die haben in der Saison wirklich alle Hände voll zu tun. 2 Campingplätze, 16 Bungalows und 29 Finnhütten müssen gepflegt und vermietet werden. 25 Bungalows der 150 des Feriendorfes in Lausen gehören dem Zweckverband. Darunter ist ein Großraumbungalow, der für Veranstaltungen gemietet werden kann. Auch die beiden Spielplätze und die Minigolfanlage fordern viel Kraft. Wenn nur nicht so viel zerstört werden würde…
In der Saison kommt es aller 2 bis 3 Tage zu mehr oder weniger schwerem Vandalismus. Meistens ist es sinnlose Randale frustrierter und angetrunkener Jugendlicher, die sich "nur" mal richtig austoben wollen. Allerdings sind im Sommer auch 2 bis 3 mal pro Monat richtige Kriminelle am Werk, die zielgerichtet einbrechen und zerstören. Der Gesamtschaden durch Rowdys beträgt pro Jahr über 100.000 DM (ca. 51129 Euro). Unter den Jugendlichen fallen zwar die berüchtigten Grünauer Nazi-Glatzen zuerst auf. Sie sind aber keineswegs schlimmer als andere Jugendliche, darunter viele, die auf den ersten Blick völlig normal aussehen.
Die Gewaltbereitschaft ist außerordentlich hoch. So sind schon mehrfach Mitarbeiter des Zweckverbandes zusammengeschlagen worden, als sie versuchten, die Jugendlichen auf einige elementare Verhaltensformen hinzuweisen. Besonders beliebt sind Lagerfeuer. Dafür wird alles Holz was greifbar ist genutzt. Holzbänke können deshalb nicht mehr aufgestellt werden. Sie überleben im Sommer oft nur wenige Wochen. Was am See Bestand haben soll, muß schwer und stabil sein. Deshalb sind die Bänke nun aus Beton, auch wenn das vielen Grünauern nicht gefällt. Der Mangel an Holzbänken führt dazu, dass die bierseeligen Feueranbeter in letzter Zeit verstärkt selbst armstarke Bäume gefällt und verbrannt haben.
Zwar gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und den Mitarbeitern des Zweckverbandes. Davon zeugen unter anderem die berittenen Streifen, die in der Saison häufiger am See unterwegs sind. Aber nachts, wenn die Vandalen kommen, ist die Polizei weit weg, obwohl die illegalen Feuer weithin die Standorte eines Teiles der Randalierer verraten. Ich verstehe allerdings gut, dass die Polizisten wenig Lust verspüren, sich im Dunklen mit den äußerst gewaltbereiten Rowdys auseinanderzusetzen. Sie riskieren dabei ihre Knochen und müssen dann mit ansehen, wie die Strolche nach Feststellung ihrer Personalien sofort wieder entlassen werden, um nach Monaten, vielleicht, eine lächerliche Strafe auf Bewährung zu bekommen.
Und was heißt hier Jugendliche. Einige Erwachsene sind nicht besser. Müll fliegt oft einfach ins Wasser oder bleibt am Ufer liegen. Vielen sind die paar Minuten zur nächsten Toilette oder die zwanzig Pfennig Gebühr einfach zu viel. Sie entsorgen die Endprodukte ihres Stoffwechsels im See. Das ist die Hauptursache der zunehmenden Verschmutzung des Sees. Noch ist die Wasserqualität ausgezeichnet. Aber die Alarmzeichen mehren sich. So wachsen an ruhigeren Strandabschnitten immer mehr grüne, wattige Algen: ein deutlicher Hinweis auf eine wachsende Stickstoffbelastung.
Was würden diese Zeitgenossen sagen, die den Unterschied zwischen Toilette und Badesee noch
nicht begriffen haben, wenn die Mitarbeiter des Zweckverbandes zu ihnen nach Hause kämen, auf
den Teppich urinierten und auf den Wohnzimmertisch schissen? Allerdings sind die Toiletten nur
zu oft in einem ekelerregenden Zustand: Kot im Pissoir und an den Wänden, der Beckenrand
beschissen oder kaputt. Die Mitarbeiterin, die das saubermachen soll, ist nicht zu beneiden.
Oft ist schon eine halbe Stunde, nachdem sie ein »Appartement«
sauber hat, die alte Schweinerei
wieder hergestellt. Das trägt natürlich erheblich dazu bei, dass die Toiletten gemieden
werden.
In der Zwickmühle zwischen knappen Kassen und den alltäglichen meist unangenehmen Aufgaben, die eigentlich unnötig wären, wenn sich alle Besucher wie Menschen benehmen würden, kommen die Mitarbeiter des Zweckverbandes kaum dazu, sich viel Gedanken über die Zukunft zu machen. Und wenn, dann steht die Erschließung neuer Einnahmequellen im Mittelpunkt. Die Mitglieder und Geldgeber des Zweckverbandes, die Städte Markranstädt und Leipzig, planen ihre Zuschüsse zu reduzieren. Ohne zusätzliche Einnahmen heißt das Personalabbau. Hoffnungen ruhen im Moment unter anderem auf der Wasserskianlage am Nordufer. Sie soll zusätzlich Einnahmen bringen.
Allerdings hat der Investor den Bau erst einmal gestoppt. Im Frühjahr soll nun die Anlage fertig gebaut werden. Ich habe da so meine Zweifel. Durch die zu erwartende starke Standortkonkurrenz zu Cospuden rechnen die Geldgeber möglicherweise damit, dass die Anlage nicht genügend Nutzer haben wird, um sich zu rechnen.
Weitere Hoffnungen ruhen auf dem Markt am See. Der hatte zuletzt aber nur noch wenig Besucher, vor allem weil das Marketing dafür nichts taugte. Das soll geändert werden. Der Platz längs der Straße von der Schiffsgaststätte ist recht günstig, auch für Autofahrer gut zu erreichen. Vorausgesetzt, die Interessenten erfahren rechtzeitig davon. Auch Feste und Veranstaltungen sollen häufiger als bisher am See organisiert werden.
Notwendig ist vor allem ein tragfähiges Konzept, dass die Zukunft des Sees sichert und damit auch dazu beiträgt, die Wohnqualität in Grünau weiter zu verbessern. Kernpunkte müßten sein:
- Nachhaltige Sicherung der Wasserqualität. Denkbar wären zum Beispiel breite Schilfgürtel, die dem Wasser die Nährstoffe entziehen. Das Abpumpen von stärker belastetem Tiefenwasser in den Zschampert muß fortgesetzt werden. Im Gespräch ist auch ein natürlicher Abfluß aus dem See in den Zschampert.
- Aufwertung der Natur um den See, um ihn für Spaziergänger auch außerhalb der Badesaison attraktiver zu machen. Dazu sollten vor allem die Ödlandflächen zwischen See und ersten Wohnblocks aufgeforstet werden. Im Pappelwald wäre es an der Zeit, die Pappeln nach und nach durch einen Mischwald zu ersetzen. Davon war schon einmal die Rede. Aber im Moment geschieht dort anscheinend nichts mehr. Dringend sanierungsbedürftig sind viele Wege um den See.
- Viel stärkere Einbeziehung des Sees in die Entwicklung Grünaus bis hin zu Wohngebietsfesten und Veranstaltungen.
- Mobilisierung der Bürger, um am See mehr Ordnung und Sicherheit zu erreichen. Die Polizei allein kann das nicht. Es würde aber schon helfen, wenn jeder Handybesitzer, der zufällig Zeuge von Rowdytum wird, sofort die Polizei anruft. Zum Teil sind es Kinder der Grünauer, die dort randalieren. Wir wären weiter, wenn jeder darauf achtet, dass sich wenigstens seine Verwandten und Freunde dort wie Menschen benehmen. Was gegenseitige Unterstützung vermag zeigt das Beispiel der Dauercamper: Durch enge Zusammenarbeit der Camper gelingt es dort, Randale und Gewalttaten fast vollständig zu verhindern.
- Lobbyarbeit für den See. Im Moment konzentriert sich die Stadt sehr stark auf die
Entwicklung des Cospudener Sees. Das ist teuer und die Erhaltung der Anlagen dort wird
erhebliche Mittel kosten, vor allem, wenn die geplanten Besucherzahlen nicht erreicht werden.
Davon gehe ich aus. Ob das private Betreibermodell: Verlustausgleich in Cospuden durch
Verbindung mit einem riesigen Freizeitpark zwischen Cospuden und Zwenkau funktioniert ist
ebenfalls fraglich. Kurz, ich fürchte, wenn sich in Grünau nicht eine kräftige Stimme für den
Kulkwitzer See erhebt, werden die Mittel dort zu Gunsten von Cospuden weiter gekürzt.
Die Entwicklung des Cospudener Sees bietet aber auch Chancen. Ich denke, dass vor allem in der Badesaison ein Teil der bisherigen Gäste abwandern wird. Auch ein Teil der Rowdys wird wohl dorthin ziehen, wo mehr los ist. Das schafft Raum, die Angebote am Kulkwitzer See zu verbessern. Gerade für ältere Grünauer könnte der See so attraktiver werden. Auch die Selbstreinigungskräfte der Natur können helfen, die Wasserqualität langfristig zu erhalten, wenn die gegenwärtige Belastung etwas zurückgeht. - Durch ein Netz von Rad- und Wanderwegen muß der See besser mit benachbarten Naherholungsgebieten verbunden werden. Ich denke hier vor allem an den Auwald, einschließlich der beiden großen Seen hinter der Autobahn in Sachsen-Anhalt (früherer Tagebau Merseburg-Ost), das Saaletal bei Weißenfels über Großlehna und Lützen sowie natürlich die sich entwickelnde Seenlandschaft im Süden. Davon wurde viel geredet, vor allem im Grünen Ring. Geschehen ist bisher aber wenig.
Sinnvoll wäre die Gründung eines Fördervereines »Grünauer See«
. Der könnte auch selbständig
aktiv werden und zum Beispiel mit Hilfe von ABM in Absprache mit dem Zweckverband am See eigene
Projekte entwickeln und versuchen, dafür Fördermittel zu beschaffen. Tatsache ist, wenn sich
die Grünauer nicht mehr um diese Oase vor ihren Haustüren kümmern, ist die Zukunft des Sees
gefährdet.