Wohin soll der Weg führen?
Vom Regen in die Traufe gekommen scheint der Stadtteil Grünau. Statt positiver
Entwicklungsaussichten, Aufwertung, Imagegewinn müssen wir jetzt mit einer massiven
Abrissdiskussion leben - ob wir es wollen oder nicht. »Abriss-Offensive«
lautete neulich die
große Überschrift in der LVZ. Es schwanken lediglich die Zahlenangaben über den Abriss. Und das
WO entscheidet letztendlich der Eigentümer (welche Eigentümer und ob ganz freiwillig oder unter
sanftem bzw. massivem Druck, das soll hier nicht weiter diskutiert werden). Hinzu kommt, dass
Nichtgrünauer öffentlich ihr Unverständnis äußern, wie man denn nur in Grünau wohnen könne,
wo’s doch woanders so viele schöne leere Wohnungen gibt. Und mit Versprechungen, dass kein
Mieter schlechter gestellt werde durch die vorgesehenen Entwicklungen, sollte man ganz
vorsichtig umgehen. Vielleicht ist manch einem der bisherige hilfsbereite Nachbar im halbleeren
Haus mehr wert als die zukünftig sanierte Wohnung etliche Häuser weiter.
Wo bleibt da eigentlich der optimistische Ansatz »Erst Aufwertung, dann Umbau oder Abriss«
,
wie er in Leinefelde praktiziert wird? Grünau als akzeptable Alternative auf dem Wohnungsmarkt
(ich muss dort nicht wohnen, sondern ich will es der verschiedenen Standortqualitäten wegen) -
wenn das von Verantwortlichen gewollt ist, dann sollte es auch durch entsprechende
Bekenntnisse, Entscheidungen und Maßnahmen deutlich werden.
Natürlich haben wir mit dem Leerstand ein Riesenproblem - nicht nur vorübergehend. Das
Stichwort »Schrumpfung«
widerspiegelt die Entwicklungstendenz. Aber was ist die neue Qualität
durch weniger Wohnungen? Wie es jetzt scheint, wird Grünau auf Dauer immer der Verlierer sein,
bis der Letzte das Licht ausknipst, denn der Stadtteil hat keine Lobby, die Bewohner werden
eher bemitleidet, weil sie hier wohnen »müssen«
.
Man sollte doch mal schauen, wie woanders die Entwicklung verläuft. Nun sind Großwohnsiedlungen in den alten Bundesländern in der Regel viel kleiner, haben aber massive soziale Probleme (hohe Anteile an Ausländern, Aussiedlern und Sozialschwachen) und zum Teil nicht unerheblichen Leerstand. Doch auch dort wollen Wohnungsunternehmen überleben, soll der Standort eine Aufwertung erfahren, sollen neue Mieterschichten gewonnen werden, soll eine Imageverbesserung die Großwohnsiedlung als Wohnstandort - wieder - akzeptabel machen, denn schließlich weist sie vielfach spezifische Qualitäten auf.
Anlässlich einer Tagung über »Nachhaltige Entwicklung von Großwohnsiedlungen«
in Dortmund wurde
das Beispiel Clarenberg (rund 3000 Einwohner und 1000 Wohnungen, hochgeschossig, stark
verdichtet, gute Lage mit U-Bahn-Anschluss, Nähe zur Hörder City und zum südlich gelegenen
Naherholungsgebiet, gut geschnittene Wohnungen) in Dortmund-Hörde vorgestellt. Was ein
Mitarbeiter des Eigentümers zur Ausgangssituation äußerte, könnte ebenso auf Grünau zutreffen:
»Die andauernde Stigmatisierung zeigte Erfolg. Alle reden über den Clarenberg, als wäre dieser
ein Patient auf der städtebaulichen Intensivstation, dessen Überleben nur durch stete
Zuwendung und Zuführung von Medikamenten gesichert, wenngleich insgeheim ein Überleben gar
nicht gewünscht wird.«
Entscheidend sei jedoch die Frage, warum man in einer Großwohnsiedlung wohnen wollen oder
bleiben und wie die Großwohnsiedlung zur Heimat werden kann. Mit Hilfe von Fördermitteln
erhielten die Fassaden Dämmung und Farbe, Eingänge wurden neu gestaltet und vermitteln einen
einladenden ersten Eindruck, Begegnungsstätten wurden geschaffen, riesige Hausnummern (8 Meter
hoch) aufgestellt, Wohnkosten durch Energieeinsparung und bei der Ver- und Entsorgung gesenkt.
Farben, Formen und Hausnummern repräsentieren Kunst im halb-öffentlichen Raum, geben ein
unverwechselbares Gesicht, rufen positive Resonanz bei Dritten hervor. Das Wohnen im Clarenberg
soll wieder eine »erste Adresse«
werden. Das alles vollzog sich unter Einbeziehung der
Bewohner, unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und vor allem auch in Hinblick auf neue
Mieterschichten.
Die Entscheidungsträger von Dortmund - einer Stadt, in der sich ein lokaler und regionaler
Strukturwandel vollzieht (nach dem Wegbruch von Kohle- und Stahlindustrie) - haben erkannt,
dass »parallel zur Entwicklung profilierter Standorte auch Projekte der Bereiche Wohnen, Leben,
Freizeit, Sport und Kultur erfolgsentscheidend für den Aufbau der E-City Dortmund«
sind. Und
dazu gehört eben auch die Großwohnsiedlung Clarenberg, die neben einem neuen Gesicht und
Zusatznutzungen auch zielgerichtet ein anderes Image erhält.