Grün-As

ZukunftsWerkStadt Leinefelde

Ein Besuch der ehemaligen Industriestadt

Leider spielte das Wetter nicht so richtig mit an jenem Freitag, dem 7. September 200l. Eine Busfahrt, die im Rahmen des Programms der Volkshochschule Leipzig angeboten wurde, führte uns, eine Gruppe interessierter Leute, ins Eichsfeld nach Leinefelde. Dort empfing uns der Bürgermeister, Herr Gerd Reinhardt. Er zeigte und erläuterte persönlich seine im Strukturwandel begriffene Stadt.

Bild Ja, da fragt man sich doch, was hat bzw. was kann diese Stadt bieten und zeigen, dass sie in jüngster Zeit weltweit Neugierige anlockt? Zwischen 1960 und 1989 war Leinefelde auf der Grundlage des Eichsfeldplanes vom Dorf mit etwa 2.500 Einwohnern zur Industriestadt mit l6.000 Einwohnern entwickelt worden. Ein neuer Stadtteil aus fünf- und sechsgeschossigen Plattenbauten, die »Südstadt Leinefelde«, entstand (90 Prozent des Gesamtwohnungsbestandes). Damals galt Leinefelde als »jüngste Stadt der DDR«. Unmittelbar nach der Wende stand Leinefelde vor einer schwierigen Aufgabe, denn der Zusammenbruch der Industriekombinate nahm der Stadt und ihren Bewohnern die Grundlage ihrer Existenz. Diese ostdeutsche Stadt setzte sich sehr früh aktiv und erfolgreich mit den Themen kontrollierten Um- und Rückbaus von Plattenbauwohnungen auseinander.

1995 war ein Wohnungsleerstand von 30 Prozent zu verzeichnen. Die Stadt trat die »Flucht nach vorn an« und erstellte einen Rahmenplan als Leitlinie für die städtebauliche Weiterentwicklung der Südvorstadt. Dieser Rahmenplan wurde vom Stadtrat beschlossen, bestimmt somit auch das Verwaltungshandeln und den Einsatz der Fördermittel. Er hat das Ziel, Alt- und Südstadt besser zu verbinden, den Bestand rückzubauen sowie den Abriss von Blöcken. Die Infrastruktur wird angepasst, die Innenstadt gestärkt, die problematische Dichte verringert, öffentliche Plätze und Grünflächen entstehen. Bei Modernisierungen und Umbauten wird immer nach dem »Innen-nach-außen-Prinzip« vorgegangen, um flexibel ungewisse Entwicklungen zu berücksichtigen. Durch einen internationalen Wettbewerb der Stadt und der beiden Wohnungsbaugenossenschaften wurden die vielfältigsten Varianten für den Rück- und Umbau gefunden. Der Bürgermeister, Herr Reinhardt, bekräftigt den Mut zum Risiko.

Bild Er ist der Meinung, dass »sich keine andere Bausubstanz so flexibel und variabel umbauen lässt, wie die Platte«. Das bislang Verwirklichte trägt Früchte. Der Rückbau auf Häuser mit wenigeren Etagen bedeutet auch die Rückkehr von der Industriestadt zur Kleinstadt: aus den Plattenbauten sollen unter anderem Reihenhäuser und Stadtvillen entstehen, es werden völlig neue Wohnformen geschaffen, teils auch mit kleinen Vorgärten und mit Laubengängen gestaltet, Maisonette-Wohnungen, Wohnungen mit Balkon auf der einen Seite und Wintergärten zur anderen Seite, Erdgeschosse werden zu Garagen umgebaut, südländisches Flair - moderne, originelle Architektur in einem hochwertigen Wohnumfeld.

Leinefelde stellte sich mit dem Projekt »ZukunftsWerkStadt« der Aufgabe, ein nachhaltiges, das heißt wirtschaftlich, sozial und ökonomisch stabiles Gleichgewicht zwischen Wohnen und Arbeiten zu entwickeln. Die »ZukunftsWerkStadt Leinefelde« wurde erfolgreich als weltweites Projekt der EXPO 2000 anerkannt. Dieses Projekt kann somit als Modell für vergleichbare Standorte dienen. Die Südstadt Leinefelde zeigt eine Vielfalt von Maßnahmen in unterschiedlichen Realisierungsphasen. Sie sind wie Puzzleteile, die sich zu einem Gesamtbild fügen, das Ergebnis ist eine Stadt, die den Strukturwandel als Chance verstanden und genutzt hat.

Leinefelde wird sein neues Gleichgewicht auf einer wesentlich niedrigeren Einwohnerzahl einpendeln, aber eine gut lebensfähige und zukunftsweisende Stadt sein. Durch den weltweiten Bekanntheitsgrad Leinefeldes kamen auch Japaner hierher, die so von der kreativen Umgestaltungsweise beeindruckt waren, dass sie für Leinefelde einen Japanischen Garten sponsern. Die Grundsteinlegung dazu war einige Tag vor unserem Besuch. Außerdem wurde Leinefelde in das Bund-Länder-Programm »Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die Soziale Stadt« aufgenommen. Leinefelde hat die Wurzeln seines Erfolges dem beachtlichen Engagement seines Bürgermeisters, Herrn Reinhardt, zu verdanken, der zusammen mit einem schlanken Verwaltungsteam die Lösung der Problematik unbürokratisch selbst in die Hände nimmt, für die unmittelbare Umsetzung sorgt und diese überwacht. So wurden städtische Objekte, wie beispielsweise Kindergarteneinrichtungen oder Ärztehäuser für eine Mark sowie das dazugehörige Grundstück zu Sonderkonditionen an gesellschaftliche bzw. kommunale Träger verkauft, um die Entwicklung in deren Trägerschaft schneller voranzutreiben. Auch dieser Schritt hatte beste Erfolge.

Bild Ob solche unkonventionellen Projekte auch in Grünau möglich sind? Über drei Stunden führte uns Herr Reinhardt durch seine Kleinstadt (wir gewannen den Eindruck, dass er nicht nur jeden Winkel und jede Ecke kannte, sondern auch jeden Einwohner persönlich), in der trotz Regen sozusagen die Sonne aufging. Erstaunlich welche Vielfalt der Umgestaltungsmöglichkeiten uns zu Augen kam und mit welchem bemerkenswerten Engagement der Bürgermeister alles genauestens erläuterte. Selbst in der Gaststätte, in der zum Abschluss der Reise für unser aller leiblich Wohl gut gesorgt wurde, überbrückte er die Zeit mit interessanten Informationen. An dieser Stelle möchten wir auch im Namen aller Reiseteilnehmer Frau Margit Weihnert, SPD-Mitglied im Sächsischen Landtag, unserer Sponsorin für Speise und Trank ein großes Dankeschön sagen. Derzeit ist in Leinefelde ein Wohnungsleerstand von nur fünf Prozent zu verzeichnen, viele Altmieter zogen in die sanierten Wohnungen zurück. Der Erfolg hängt aber auch von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Leinefelde liegt günstig im Dreiländereck, 30 Prozent der Bevölkerung sind Pendler, man hofft nun auf die Autobahnanbindung.

K.H. / KOMM e.V.
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