So ein Theater!
Es begann Ende 1994. Zuerst war da die Idee von zwei Mitarbeitern des Theaters der Jungen
Welt, ein Jugendtheaterprojekt in Grünau - einem Stadtteil mit vielen Jugendlichen und
begrenzten Freizeitmöglichkeiten vor Ort - ins Leben zu rufen. Als Kooperationspartner fand
sich sofort das KOMM-Haus bereit, schauspielernde Gäste aufzunehmen. Das Konzept war
gut, das Anliegen förderfähig. Finanzielle Unterstützung kam von verschiedenen städtischen
Ämtern, Stiftungen, anderen Fördereinrichtungen, von der Sparkasse. Sponsoren beteiligten
sich an Werbung, Plakatherstellung und anderen Dinge. Ansonsten wurde ehrenamtlich
gearbeitet. Untrennbar verbunden war das Projekt »Großstadtkinder«
mit dem großen
Engagement Tilo Esches, der aus seiner Annaberger Zeit gute Erfahrungen mitbrachte. Und
wofür das alles? »Wir wollen mit Kindern und Jugendlichen etwas auf die Beine bringen,
ihnen spielerisch die Möglichkeiten darstellender Kunst nahe bringen und ihre Fähigkeiten
auf diesem Gebiet entwickeln…Wir haben die Erfahrung gemacht, wie sich Verhaltensweisen,
Teamgeist, Kreativität, Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein herausbilden oder
verstärken«
, so Tilo Esche damals.
Bei diesem ersten Projekt - uraufgeführt im Klinger-Gymnasium - arbeiteten 45 Leute zwischen 12 und 20 Jahren mit (als Schauspieler, Musiker, Bühnen- und Maskenbildner, Techniker, Einlassdienst). Es ging dabei um die Probleme Jugendlicher mit Umwelt, Familie, Schule…
Fast ein Jahr lang war das KOMM-Haus der Treffpunkt der Theatertruppe - gespielt wurde
auch an verschiedenen anderen Orten -, aber dann reichten die räumlichen Möglichkeiten
nicht mehr aus. Die »Großstadtkinder«
waren auf der Suche nach Domizil und Nachwuchs,
wie es in der Stadtteilzeitung vom November 1995 zu lesen war. Zu dieser Zeit wurde das
»Atrium«
, eine ehemalige Gaststätte im WK 7, vom Kulturamt ausgeschrieben. Antrag ans
Kulturamt, Bitte um Unterstützung an Verwaltung und Politik, Gründung eines Vereins
(natürlich »Großstadtkinder e. V.«
) - das waren die nächsten Schritte. »In beispielloser
Geschwindigkeit, Kraft- und Materialanstrengung wurde die ehemalige (verrufene) Gaststätte
›Atrium‹ zu einem kleinen, aber feinen Theater umgebaut«
, schrieb der damalige
Stadtteilkulturbeauftragte in der Stadtteilzeitung. Premiere im neuen Haus war dann am 10.
August 1996 mit dem Anti-Drogen-Thriller »Kissing God«
.
In den folgenden Jahren etablierte sich das THEATRium unter der prägenden künstlerischen Leitung von Tilo Esche in der Miltitzer Alle 52. Gespielt wurde für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Ich muss sagen, manche Stücke haben mir sehr gut gefallen, einige waren bedrückend, andere habe ich nicht so ganz verstanden. Mal war ich allein im Theatrium, mal mit Kind (mittlerweile natürlich schon jugendlich). Beeindruckend sind auf jeden Fall das Engagement und die Freude der Beteiligten, auch wenn viel Kraft und Freizeit investiert werden müssen.
Wer das Theatrium kennt, der weiß, unter welchen Bedingungen derzeit dort gearbeitet wird. Einst glücklich über das mit viel Eigeninitiative hergerichtete Gebäude, erzeugen die zahlreichen Mängel und Unzulänglichkeiten nun ziemlich viel Frust. Die Arbeitsbedingungen sind für die festen und freien Mitarbeiter, die ehrenamtlich Tätigen und die an den Projekten pro Woche beteiligten 75 Kinder und Jugendlichen eigentlich nicht mehr zumutbar. Das Haus befindet sich in einem Zustand, der in absehbarer Zeit eine grundlegende Sanierung erfordert, sowohl der baulichen Substanz als auch der Elektro- sowie Sanitäranlagen:
- Es ist eine kleine Angestelltentoilette mit Dusche vorhanden. Letztere kann kaum genutzt werden, da vom Kulturamt das zentrale heiße Wasser durch einen nicht funktionierenden Durchlauferhitzer ersetzt wurde. Die Toiletten für die Zuschauer (DDR-Standard) ohne funktionierende Belüftung befinden sich ebenfalls hinter der Bühne. D. h., während der Vorstellung kann kein Zuschauer auf die Toilette gehen.
- Ein kleiner gemeinsamer Garderoben- und Maskenraum (früher zweiter Ausgang) für männliche und weibliche Darsteller in der Größe von 15 qm wird bei Vorstellungen z.B. eines Jugendtheaterprojektes mit 17 Beteiligten zum Problem, so dass Zuschauertoiletten, Büros und Angestelltentoilette auch als Umkleide- und Schminkmöglichkeit genutzt werden müssen.
- Da im Theatrium selbst keine Lagermöglichkeit für Dekoration und Requisiten vorhanden sind, schaffte man für diese Zwecke zwei Seecontainer an, die (nicht ganz legal) auf dem Hinterhof stehen, so dass bei Schnee und Regen immer die Gefahr besteht, dass die benötigten Dekorationsteile beim Transport auf die Bühne nass werden.
- Das Dach ist defekt, so dass es in mehreren Räumen (Garderobe, Toiletten, Werkstatt) durchregnet. Trotz notdürftiger Reparaturen sind die Fenster teilweise undicht.
- Die Elektronanlagen sind überholungsbedürftig bzw. eine Neuinstallation wäre notwendig, um den entsprechenden Vorschriften zu genügen und einen gesicherten Veranstaltungsablauf zu gewährleisten (mehrere Vorstellungen mussten bereits ausfallen).
Fehlende Mittel beim Kulturamt für Umbau und Rekonstruktion lassen eine Änderung der vorherrschenden Bedingungen aber nicht absehen. Durch den unbefristeten Vertrag mit der Konsumgenossenschaft Leipzig über die Nutzung der Räumlichkeiten in der Miltitzer Allee 56 besteht jederzeit die Möglichkeit, von heute auf morgen die inzwischen dringend benötigten Proben-, Lager- und Werkstatträume zu verlieren.
Die reduzierten finanziellen Mittel zwingen zu neuen konzeptionellen Ansätzen, bezogen auf
erweiterte Formen der Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Institutionen. Daher
bemüht sich das Theatrium gemeinsam mit anderen Stadtteilakteuren (KOMM e.V.,
Volkshochschule, Kampfsportverein, Verein Sport- und Rückenzentrum, Filmclub Titanic
u. a.) um die Umnutzung des leer stehenden Ärztehause Brackestraße 48. So wurde die
ursprüngliche Bürgerhauskonzeption überarbeitet, die Gründung eines Betreibervereins wird
derzeit vorbereitet. Entscheidend ist natürlich die Frage der Finanzierung, denn für den
Umbau des Hauses wird rund eine Million Euro benötigt. Die Betreibung erfolgt dann jedoch
ohne laufende Zuschüsse. Jetzt gilt es, für dieses Vorhaben breite Unterstützung zu finden,
damit nicht nur das Theatrium eine Zukunft hat, sondern damit den Grünauern und ihren
Gästen vielseitige Bildungs- und Freizeitangebote zur Verfügung stehen.
Evelin Müller