Mit Volldampf ins Aus?
Das Grünauer THEATRIUM mit Premierenmarathon in ungewisse Zukunft
Das THEATRIUM, »freies«
Kinder- und Jugendtheater am Rande der Stadt, gerät dieser Tage
wieder in die Schlagzeilen. Und das in mehrfacher, nicht immer erfreulicher Hinsicht: Soeben
hat man sich vom gerade erst neu eingestellten künstlerischen Leiter Robert Strauß wieder
getrennt. Die »Chemie«
stimmte nicht. Das ist tragisch, denn zurzeit geht es dort ums
Überleben, um Fortbestand oder Beerdigung dieses kleinen, arbeitswütigen, besonders für die
Jugend des Stadtteiles Grünau so wichtigen Theaters. Die baulich-technische Substanz des
Theaters in der Platte ist mehr als marode; eine Sanierung unsinnig teuer. Vor allem aber
fehlen rund 35.000 Euro im Jahresetat, um eine akzeptable künstlerische Qualität und Quantität
für die Öffentlichkeit halten zu können. Jedes Weniger stellt die Institution THEATRIUM in
Frage.
Geschäftsführerin Beate Roch kündigte die dringende Handlungsnot bei den Kulturpolitikern der Stadt bereits an, die - sollten die Bemühungen um einen eventuellen Standortwechsel und ausreichende Projektfinanzierung scheitern - Mitte des Jahres zur unweigerlichen Schließung des THEATRIUMs führt. Also aus der Traum? Wenn ja, so wird es zumindest ein Abgang mit Pauken und Trompeten, denn bis zum Sommer d.J. werden sage-und- schreibe 6 1/2 Premieren über die Bühne gejagt.
In Änderung des veröffentlichten März-Spielplanes ist als erstes am 20.3. die halbe Premiere
dran: Die Wiederaufnahme in Umbesetzung von »Das Herz eines Boxers«
(ab 13 Jahre) mit Stefan
Haschke als »jugendliche Großfresse«
Jojo.
Am 12. April kommt dann »Junkie«
( ab 15 Jahre)
in neuer Regie der Berlinerin Imke Baumann, die die begonnene Arbeit von Robert Strauß
fortsetzt und vorerst bis Ende April kommissarisch die Künstlerische Leitung des Hauses
übernimmt. Nehmen wir es als bewusstes Zeitzeichen, dass dem eben abgespielten Drogen-Kultstück
»Trainspotting«
(Kooperation mit der BAGAGE) sogleich ein weiteres knochenhartes Drogenstück
auf dem Fuße folgt.
Dazu kommen - der eigentlichen Profession des Theatervereins »großstadtKINDER«
genügend -
fünf Jugendtheaterpremieren: Den Reigen beginnt am 26. April unter der Leitung von Martin
Frolowitz die politisch-satirische Collage »RechtsAussenVor«
unter Mitwirkung von Mitgliedern
des Projektes »Free-your-mind«
am Zentrum für Integration. Das ist - bei aller komödiantisch-
grotesken Theatralik - Theater gegen Rechts. Ein engagiertes Aufbäumen gegen alltäglich
gewordenen braunen Ungeist, Ausländerhass und Internetverseuchung. Am 3. Mai hat »Gefangen in
der Finsternis«
Premiere. Dieses Jugendtheaterprojekt (Leitung Judith Jackson) thematisiert
Blindheit bei Jugendlichen in doppeltem Sinn und allen Extremen. Heißt Blind-Sein nur Nicht-
Sehen?
In Koproduktion mit dem Wabe e.V wird am 10. Mai dann im KANAL 28 der unsterbliche »Till
Eulenspiegel«
als Jugendtheater in einer Inszenierung von Dietmar Voigt über die Bühnenbretter
fetzen; wie bekannt listig, geistreich, unmoralisch; ein ewig jugendlicher Haudrauf. Die
Kindertheatergruppe des THEATRIUM werkelt ab 25. Mai in ihrer »Monsterwerkstatt«
(Leitung Ingke
Prüß) an einem lebenden Monster a la Frankenstein; das allerdings mit fatalen Folgen. Kurz vor
den Sommerferien bringt am 14. Juni Sabine Münchs Jugendtheatergruppe das Stück »Angebumst«
heraus. Schon der Stücktitel weist eindeutig auf die Situation einer 15jährigen, die - selbst
fast noch ein Kind - schwanger wird. Ihr Leben nimmt zwangsläufig eine ganz andere Richtung als
gewünscht.
Nach diesem Premierenmarathon schließlich bereitet sich - last but not least - eine Gruppe
von 10 Theaterjugendlichen vor, Anfang der Sommerferien gemeinsam mit Jugendlichen des
kommunalen offenen Freizeittreffs »Am Mühlholz«
für eine Woche nach Litauen zu den
Theaterpartnern vom Teatro Studijo Vilnius zu reisen. Ein Arbeitsbesuch, dessen Sinn allerdings
durch die drohende Schließung des THEATRIUM (s.o.) fraglich wird. Doch die Ensemblemitglieder
wären schlechte Theatermacher, wären nicht Hoffnung, Hoffnung, Hoffnung ihr Lebenselexier.
DeVau (Dietmar Voigt)