Testify
Phil Collins ist in der Popmusik so bekannt wie die Firma Heinz im Reich der gebackenen Bohnen. Genau so wie diese uns so vertraute und allgegenwärtige Firma liefert auch Collins ganz brav und zuverlässig seine Erzeugnisse ab. Testify folgt auf das 1996 erschienene Dance Into The Light.
Hier erleben wir den britischen Sänger und Songschreiber, wie er durch seine überwiegend
sanfte Sammlung von romantischen Balladen schlendert, wobei er sich selbst bei Beziehungen
abwechselnd als Gewinner und Verlierer darstellt. Das größte Vergnügen entdecken wir bei
Testify jedoch in der Klanggestaltung. Collins hat sich offensichtlich sehr aufmerksam einige
Entwicklungen angehört und dabei bemerkt, wie in die Musik seiner Mitstreiter der »Adult-Pop«
-
Szene Einflüsse aus dem World-Beat eingeflossen sind.
»Thru My Eyes«
ist geistesverwandt mit »In My Eyes«
von Peter Gabriel. »The Least You Can
Do«
steht ganz unbestritten unter keltischem Einfluss, »Driving Me Crazy«
hingegen ist mit
seinen bizarr herabtrudelnden Synthesizer-Klängen bestens dafür geeignet, bei großspurig
angelegten Auto-Werbespots Sting Paroli zu bieten. Der Titeltrack hingegen erhält auf
angemessene Weise Unterstützung durch einen Chor. Die Coverversion des traurigen
»Can’t Stop
Loving You«
(bereits von Leo Sayer in den 70er-Jahren aufgenommen) ist ein würdiger Nachfolger
für Collins’ eigenen Song »One More Night«
.
Kim Hughes
Der beste Tag meines Lebens
Das ganze Gerede über die Krise der deutschen HipHop-Szene kümmert Kool Savas nicht im Geringsten. Auf seinem Debütalbum nimmt Savas Yurderi wie gewohnt kein Blatt vor den Mund und schenkt den ganzen halbgaren MCs oder selbst ernannten Rap-Experten ordentlich ein.
Die von der Optik-Crew um Eko, Valezka, Melbeatz und Kool Savas selbst produzierte Platte enthält zwölf Tracks, die garantiert wieder ebenso kontrovers diskutiert werden, wie der bisherige Output des Rappers. Seine Reime sind noch immer reines Gift für zarte Gemüter.
In Stücken wie »Don’t Hate«
, eingespielt mit Unterstützung von Royce
Da 5’9" sowie Tre
Little, und dem zusammen mit A-plus von der Westcoast-Legende Souls Of Mischief verwirklichten
»Transatlantic«
zeigt Mr. Savas noch einmal eindringlich, warum zwischen ihm und anderen
Wortakrobaten Welten liegen. Sein Reimflow ist zumindest in Deutschland unerreicht. Und wenn er
wie bei »Optik Anthem«
oder dem unbeugsam vorgetragenen »Alle In einem«
erst einmal richtig
loslegt, dann bleibt keine Auge trocken.
Wirklich erstaunlich ist die musikalische Bandbreite, die er auf dieser Platte abdeckt. Wer
erwartet hatte, dass sein eigenwilliger Stil ein ganzes Album nie und nimmer tragen kann, den
belehrt er hier eines Besseren. Selbst gegen anerkannte Größen wie Kurupt, der ihm auf
»Keep It
Gangsta«
ein wenig unter die Arme greift, setzt er sich fast mühelos durch. Auch wenn Kool
Savas mit Sicherheit auf Der Beste Tag Meines Lebens wieder stark polarisiert, gegen
sein überragendes Reimtalent sind selbst seine Gegner weitgehend machtlos.
Norbert
Schiegl