Im Land der Saubande
Über 20 schwarz gekleidete Gestalten mit dunklen Sonnenbrillen und einem Fahnenträger traten
wiederholt eines morgens aus dem KiJu Grünau in der Heilbronner Straße. Die
Frage, die so manchem Anwohner oder Passanten ins Gesicht geschrieben stand, lautete: »Geht das
schon wieder mit den Rechten in Grünau los?«
Ein klares NEIN soll hiermit den fragenden Blicken gesagt werden. Schon zum dritten Mal fand
bewusst an diesem Ort das antifaschistische Plan- und Aktionsspiel »Das Saubandenspiel«
nach
einer Idee von Ralf Brinkhoff statt.
Im Spiel finden sich die Jugendlichen in einem faschistischen System wieder. In Anlehnung an
die Gegebenheiten im Dritten Reich wird über das Spiel eine ähnliche Struktur geschaffen. Diese
soll den Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich sowohl rational als auch emotional über eine
bestimmte Rollenzuweisung direkt mit der Thematik auseinanderzusetzen. In dem System wird den
Jugendlichen einerseits ein fragwürdiges System vorgestellt, andererseits sollen Wert- und
Normvorstellungen einer Gesellschaft bzw. Gruppierung in Frage gestellt werden. Macht zu haben
bzw. auszuüben, bedingungslos gehorsam zu sein, unkritisch »Befehle«
auszuführen,
vorgesetzten Idealen nachzueifern und darüber das Gefühl zu bekommen, anerkannt zu werden, sind
Spielinhalte der Spielaktion, die Jugendliche zum Nachdenken bezüglich der Thematik anregen
sollen.
Im Land der Saubande, einer fiktiv angenommenen Gruppierung, herrschte ein strenger Ton und
alles war straff und in hierarchischer Form organisiert. Begonnen hat diese Aktion mit dem
Ausfüllen einer persönlichen Charakterkarte, die den Zugang in eine der vier Spielstationen
gebot. Nach dem Appell wurden die Jugendlichen auf ihre
Tauglichkeit für ein »Saubandenleben«
in verschiedensten Spielstationen immer wieder geprüft. Außerdem war das äußerliche
Erscheinungsbild (Aussehen, körperliche Verfassung,…)
maßgebend für den Aufstieg oder Abstieg
innerhalb des Spiels. Regeln mussten (teilweise unter schwierigsten Bedingungen) auswendig
gelernt werden. Sinnlose Aufgaben mussten erledigt werden. Wurden Regeln nicht eingehalten,
Spielaufgaben nicht zufrieden stellend oder ordnungsgemäß erfüllt oder sich verweigert usw.,
wurde mit Sanktionen in Form von Punktabzügen durch die über 20-köpfige Spielleitung reagiert.
Bei Erfüllung der gestellten Aufgaben, Gehorsam, usw. wurden Punkte addiert und ein Aufstieg in
eine höhere und damit bessere Spielstation gesichert.
Im persönlichen Zwiespalt zwischen einerseits Aufgabenerfüllung, Gehorsam, Aufstiegschancen
und andererseits Verweigerung, Widerstand und ein damit verbundener Abstieg endete das
Großgruppenspiel nach 2,5 Stunden (davon eine halbe Stunde Appell). Nach einer halbstündigen
Pause fand eine 1,5stündige Auswertung statt. Die Mehrheit der beiden 9. Klassen sah den als
»Saubandenspiel«
angekündigten Unterricht als Spiel an - als ein Spiel mit (Spiel)Regeln, Spaß,
sich ausprobieren, Aufgaben lösen und zu verlieren oder zu gewinnen. Natürlich wurden die
Sinnlosigkeit und innere Widerstände benannt. Negativ bewertet wurden die ungerechte
Behandlung, Erniedrigung, der Befehlston, Anbrüllen, Erfüllen sinnloser Aufgaben, ungerechte
Punkteverteilung sowie die fehlende Meinungsfreiheit. Ein Bezug zum derzeitigen Geschichtsthema
»Nationalsozialismus«
konnte hergestellt werden. Selbsterfahrung und Reflexion waren
Hauptanliegen des Spiels und der Auswertung. Drei Schülerinnen stiegen ganz aus dem
Spielgeschehen aus und wurden von Sanitätern (Sozialarbeiterin und Lehrer) betreut.
Unter Leitung der RAA Leipzig fand dieses Spiel in Kooperation mit der 57. und 83.
Mittelschule sowie dem Kinder- und Jugendtreff Grünau e.V. statt.
Isa
Isensee,
Schulsozialarbeiterin 83. MS Leipzig-Grünau