Bernd Puckelwaldt
Neue Möglichkeiten beim ASW
Als die politische Wende kam, wurde das Großprojekt mit einem Male abgebrochen, obwohl es längst noch nicht vollendet war. Das Ende der DDR bedeutete auch das Aus für den HAG und seine Angestellten. Viele, so auch der damals 42-jährige Finanzökonom, fanden Arbeit beim Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung (ASW). Bernd Puckelwaldt hielt Grünau nach wie vor die Treue. Denn hier war der, vom Konzept der Großwohnsiedlung überzeugte, von der Umsetzung jedoch enttäuschte Enthusiast an der richtigen Stelle. Hier taten sich ihm plötzlich ganz neue Möglichkeiten auf, konnte er gerade rücken, was einst in die Schieflage geraten war.
Und Grünau, dessen Image stark gelitten hatte, und dem nur allzu viele der einst stolzen Neubauwohnungsbesitzer den Rücken kehrten, bedurfte eines Bernd Puckelwaldtes. Einen, der das Viertel wie seine Westentasche kannte, der es mit aufbaute und um dessen Probleme er wusste. Einen, der die Grünauer nicht argwöhnisch beäugte, weil sie gern in ihrem Stadtteil leben, sondern sehr genau nachvollziehen konnte, warum das so ist. Einen, der sich bei der Umgestaltung fast noch mehr einsetzte als bei der Entstehung. Der Grüngürtel im WK 8, die Sanierung der Lindenallee oder die Neugestaltung des Schönauer Parks sind nur einige Projekte, an denen er mitwirkte und damit sein ideales Grünau zu verwirklichen suchte.
Mit seiner Arbeit hätte er zufrieden sein und sich zurücklehnen können. Doch er blieb kritisch. Denn er merkte sehr
rasch, dass auch bei der Um- und Neugestaltung Grünaus eine tiefe Kluft zwischen Theorie und Praxis besteht. Als
grundsätzlicher Befürworter des Umbaus begrüßte er die ursprünglichen Entwürfe der Stadtplaner, den sinnvollen Rückbau
verdichteter Gebiete vorzunehmen. Man hätte sich an die Expertenmeinungen halten sollen, sagt er verärgert über das, was
mit »seinem«
Grünau seit Langem geschieht. Was hier - in städtebaulicher Hinsicht völlig sinnlos -
zerstört wird, lässt ihn oft in Rage geraten.
Seit einem Jahr hat der heutige Vorruheständler allerdings keinen Einfluss mehr auf die bauliche Entwicklung des
Stadtteils. Aber Bernd Puckelwaldt wäre nicht »Pucki«
, wenn er deswegen die Arme verschränkte und den
Kopf in den Sand steckte. Er sagt seine Meinung - laut und oft ungefragt. Aber er kritisiert nicht nur, sondern engagiert
sich weiterhin. So sorgt er beispielsweise bei Stadtteilrundgängen mit Studenten, Schülern und Gästen Leipzigs für positive
Aha-Effekte und räumt mit Vorurteilen auf, wenn er sie zu den markantesten Plätzen Grünaus führt.
Dort erzählt er ihnen, so lebhaft und unverfälscht wie nur er es kann, wie das so war, als er einst unfreiwillig den Dienst in der Schlammwüste antrat und damit sein Leben veränderte.
Klaudia Naceur