Mit der S1 nach Wurzen
Teil 1 - Quer durch Grünau
Ab dieser Ausgabe stellen wir Ihnen jeweils vier Stationen der neuen Linie S1 der S-Bahn Mitteldeutschland vor. Von der Miltitzer Allee am Kulkwitzer See, wo wir unsere Fahrt beginnen, führt die Strecke bis nach Wurzen. In dieser Ausgabe fahren wir bis zur Grünauer Allee.
Miltitzer Allee
Der Bahnhof in der Miltitzer Allee sollte eigentlich nicht der Endpunkt der Trasse werden. Ursprünglich war mal an eine Weiterführung der Gleise nach Markranstädt geplant. Allerdings hätte die Einschwenkung auf die Markranstädter Strecke einige komplexe Bauwerke erfordert, da man die Lützner Straße und die Straße am See queren müsste. So hat man den Bahnbau hier 1983 beendet und den Bahnhof mit einem Inselbahnsteig ausgeführt.
Von dem kleinen Kopfbahnhof erreicht man das Grünauer KOMM-Haus, die Selliner Passage und die Bären-Apotheke. In den Sommermonaten werden sicher zahlreiche Badegäste des Kulkwitzer Sees die neue Verbindung nutzen, aber darüber kann man an einem kalten Januartag nur spekulieren.
Karlsruher Straße
Die zweite Grünauer Station heißt »Karlsruher Straße«
. Auch diese Station gibt es seit 1983, damals unter dem Namen »Haltepunkt Ho-Chi-Minh-Straße«
. Im Gegensatz zu den
Doppelstockzügen aus alten Zeiten, fahren die »Hamsterbacke«
genannten Züge recht leise. Die Grünauer Siedler, die hier recht nah an den Gleisen leben, haben aufgeatmet. Die zum Teil neu
geschotterten Gleise rütteln sich übrigens noch fest.
»Hamsterbacke«
heißt offiziell »Talent 2«
. Das hat mit den ursprünglich von Talbot gebauten »Talent«
nichts mehr zu tun. Die 442er und 443er sind
eine Neuentwicklung von Bombardier in Hennigsdorf. Bereits im Einsatz sind die End- und Mittelwagen bei den S-Bahnen in Nürnberg und Rostock. Dort gab es auch genug Probleme, vor allem mit den Türen und deren
Steuerung. Inzwischen haben sich die Kinderkrankheiten hoffentlich auskuriert.
Mit den neuen Zügen kam nicht nur eine silber-metallic Lackierung mit grünen Türen. Es gibt Haltewunschtaster im Türbereich, einen Familienbereich (farbige Viersitzer mit kindgerechter Tischdeko), einen
vergrößerten Sitzabstand mit breiteren Sitzen und in der ersten Klasse sogar Ledersitze. Flachbildschirme an den Trennwänden informieren die Reisenden über die nächsten Stationen. Hier steht nun
»Allee-Center«
.
Allee-Center
Der am meisten frequentierte Haltepunkt in Grünau trug früher den Namen »Wilhelm-Pieck-Allee«
. Hier trifft die S-Bahn nicht nur auf das größte Einkaufszentrum des Stadtteils, sondern auch
auf das Zentrum Grünaus. An der Stuttgarter Allee liegen nicht nur Allee-Center und PEP, sondern auch die Bibliothek Grünau-Mitte, die »Völkerfreundschaft«
, der Stadtteilladen mit
Volkshochschule und der Grünauer Marktplatz. Außerdem sind da noch der Kinder- und Jugendnotdienst, das Heizhaus und der KiJu.
DB Station&Service wollten eigentlich bis August letzten Jahres drei Grünauer Haltepunkte (Karlsruher Straße, Allee-Center und Grünauer Allee) modernisieren. 1,7 Millionen Euro waren dafür veranschlagt. Leider wurde die Haltepunkte bis heute nicht fertig. Auch am Allee-Center guckt noch die blanke Erde aus dem Schnee. Im Laufe des Jahres wird es sicherlich fertig werden. Wir sind ja in Grünau ganz gut weggekommen, andere Haltepunkte - wie Leipzig-Thekla - bröckeln im Nachkriegs-Charme.
Im Oktober 2001 wurde die Rampe zum Allee-Center von dreißig Graffiti-Künstlern neu gestaltet. Nun, mehr als zehn Jahre später, ist die Wand zum größten Teil unverändert und von illegalen
»Verziehrungen«
verschont geblieben. Sicherlich ein Grund weshalb der Leipziger Graffitiverein die Lärmschutzwände einiger Stationen offiziell bemalen durfte. Und, was immer man davon halten
mag, es sieht besser aus, als die illegalen Graffiti daneben.
Grünauer Allee
Ein neuer Einkaufsmarkt, das »Theatrium«
und der »Grünauer Krug«
sind schnell zu erreichen. Auch diese Station trug zur Eröffnung am 25. September 1977 einen anderen
Namen: »Haltepunkt Hermann-Matern-Allee«
. Der Haltepunkt wurde bereits 1980, also in DDR-Zeiten, in Grünauer Allee umbenannt. Hier fuhr damals ein »Betonpendel«
genannter
Pendelzug C zum Plagwitzer Bahnhof und der dortigen Ringbahn A. Später gab es dann sogar zwei Grünauer Linien und einen Zehnminutentakt. Nach der Wende wurde durch den zunehmenden Autoverkehr wieder nur eine
Linie angeboten.
Ursprünglich sollte die S-Bahn die Hauptlast des öffentlichen Nahverkehrs für Grünau tragen. Daher durchschneidet die Bahntrasse auch den gesamten Stadtteil. Die Grünauer spielten aber nicht mit und fuhren
lieber mit der Bimmel. Das hatte eine einfachen Grund: Die S-Bahn hatte andere »Fahrschnipsel«
, die zudem deutlich teuerer waren. Wer also nicht gerade ein Ziel an einer S-Bahn Station
hatte, war mit der Bimmel besser bedient. Das hat die Verkehrsgewohnheiten der Grünauer nachhaltig beeinflusst.
Inzwischen gibt es einen einheitlichen MDV-Tarif mit einheitlichen Fahrscheinen, mit denen man S-Bahn, Straßenbahn und Bus fahren kann. In der Mitte Grünaus, also zwischen den Tram-Linien, ist die S-Bahn eine interessante Alternative zur Bimmel geworden. Hier ist der 30-Minuten-Zeittakt aber noch ein Hindernis. Ein 15-Minuten-Zeittakt ist bereits in Planung, kann allerdings erst realisiert werden, wenn das zweite Großprojekt (neben dem City-Tunnel) fertig ist: die Schnellfahrstrecke nach Erfurt. Bis Ende 2015 soll das Projekt, welches die 8,6 Kilometer lange Saale-Elster-Talbrücke beinhaltet, abgeschlossen sein.
Lutz Rodenhauser