Mit der S1 nach Wurzen
Teil 6 - Über Machern nach Wurzen
In unserer kleinen Serien fahren wir mit der S-Bahn von Grünau nach Wurzen. In den ersten fünf Teilen ging es von Grünau, über Plagwitz und Markt zum Völkerschlachtdenkmal und weiter nach Borsdorf.
Gerichshain
Seit dem Haltepunkt Engelsdorf und noch bis Riesa fährt die S-Bahn auf einer Strecke, die seit 1837 existiert. Damals wurde hier bis 1839 die erste deutsche Ferneisenbahn erbaut, die von Leipzig nach Dresden führte. In Leipzig endete diese Strecke am Dresdner Bahnhof - heute steht dort die Osthalle des Hauptbahnhofes.
Auch diese Bahnstrecke hat eine wechselvolle Geschichte: Anfangs einspurig, wurde die Strecke dann zweispurig ausgebaut und bis 1884 im Linksverkehr betrieben. Das Vorbild kam halt aus England. Nach dem Krieg wurde die Strecke wieder einspurig, denn ein Gleis wurde als Reparationsleitung abgebaut und in die Sowjetunion gebracht. 1970 wurde die Trasse wieder zweigleisig und elektrifiziert. Zur Zeit wird die Strecke für Geschwindigkeiten bis 160 bzw. 200 Stundenkilometer ausgebaut.
Das Bahnhofsgebäude des Haltepunktes in Gerichshain wurde von Fußballfans lustig angemalt. Es gibt Treppen und Rampen. Südlich gelangt man nach zwei Kilometern nach Brandis. Nördlich gelangt man zu Kirche
und Gemeindeamt. Außerdem befindet sich dort im Pehritzscher Weg der »Golf und Country Club Leipzig«
. Neben dem 6-Loch-Kurzplatz gibt es auf dem 80 Hektar großen Gelände noch eine
18-Loch-Anlage.
Machern
In Gerichshain beginnt auch der Rad- und Wanderweg »Rundweg Machern«
der zu unserer nächsten Station führt. Der Weg beginnt am Bahnhof und führt über Püchau, Lübschütz und den Lübschützer
Teichen, durch das Gotenholz zum Schlosspark in Machern. Das Macherner Schloss war upsprünglich ein Wasserschloss. Durch den Bau der Eisenbahn wurde dem Schloss aber buchstäblich das Wasser abgegraben. Im
Macherner Schlosspark - einer fast 6 Hektar großen Parkanlage - steht neben einer Ritterburg auch eine begehbare Pyramide und verschiedene Tempel.
An den Lübschützer Teichen gibt es noch das »Erholungsheim VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Leipzig«
. Das mit Ferienbungalows bebaute Gelände diente aber nur zur Tarnung eines
Bunkers des Ministeriums für Staatssicherheit. Im Falle eines nuklearen Angriffs hätte dort 100 hauptamtliche Mitarbeiter eine Führungsstelle betrieben. Heute ist die Anlage ein Museum. Nächste
Besichtigungstermine sind am 29./30.03.2014, 26./27.04.2014 und am 10.05.2014 zur »Museumsnacht«
.
Im Ort befindet sich auch das Kinderheim Machern. Im Heim und den Außenstellen der vor über zwanzig Jahren gegründeten gemeinnützigen Betreiber-GmbH sind zahlreiche Kinder aus Leipzig untergebracht.
Altenbach und Bennewitz
In der Nähe des Haltepunktes in Machern befindet sich ein Gedenkstein für den Beginn der Erdarbeiten für die erste deutsche Ferneisenbahn am 1. März 1836. Die Gleise führen nun weiter nach Altenbach. Dort wurde beim Bau der Eisenbahn neben Braunkohle ein Tonvorkommen entdeckt. Gustav Harkort, im Direktorium der Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie, zog hier ein Nebengeschäft auf. Mit seinem Bruder errichtete er 1845 eine Fabrik für Tonwaren. Viele Arbeiter dieser und anderer Fabriken siedelten sich in dem kleinen Dorf an.
In Altenbach gibt es zahlreiche Rad- und Wanderwege und eine Pension gleich am Haltepunkt der S-Bahn. Große Teile des Dorfes liegen im Landschaftsschutz- und Erholungsgebiet. Es gibt große Waldflächen und den 138 Meter hohe Eichberg. Altenbach gehört inzwischen zu Bennewitz, der nächsten Station der S-Bahn.
Auch in Bennewitz, eine der ältesten Ansiedlungen in der Muldenaue, war man nicht immer glücklich mit der Eisenbahn. Beim Hochwasser 2002 wirkte die Brücke der Bahntrasse über die Mulde als Staumauer
und drückte das Wasser ins alte Flussbett - mitten durch Bennewitz. Auch 2013 hat der Ort wieder was abbekommen. An Bauten der Bahnstrecke kann man noch »Wurzen West«
lesen, denn der Ort
gehörte von 1950 bis 1974 zu Wurzen.
Wurzen
Am 31. Juli 1838 erreichte die Eisenbahn Wurzen. Die Brücke zwischen Bennewitz und Wurzen ist die erste Eisenbahnbrücke Deutschlands. Durch die Eisenbahn begann die industrielle Entwicklung des Ortes. Schon
kurz nach Bennewitz sieht man die zwei Mühlentürme - die Wahrzeichen der Stadt Wurzen. Dort befindet sich die 1847 durch Johann Krietsch gegründete und in DDR-Zeiten enteignete »Keksbude«
-
heute die WURZENER Nahrungsmittel GmbH.
»Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt«
, sagt ein bekannter Sohn der Stadt: Hans Gustav Bötticher. Besser bekannt unter dem Namen Joachim Ringelnatz. Dem
Erfinder von »Kuttel Daddeldu«
ist der Marktbrunnen gewidmet. Ansehen kann man sich auch das Ringelnatzhaus, Crostigall 14, und die Ausstellung im Museum, Domgasse 2. Auf dem Ringelnatzpfad
lässt sich die Stadt durchwandern.
Die meisten S-Bahnen und unsere Reise enden am Wurzener Bahnhof. Einige Züge fahren über Kühren, Dahlen und Oschatz nach Riesa weiter. Am Bahnhof gibt es einen guten Kaffee und auch die Bockwurst ist nicht zu verachten. Die Reise von der Miltitzer Allee nach Wurzen dauert über eine Stunde.
Lutz Rodenhauser