Patenonkel und Krankenschwester
Erbauerstammtisch
Der Tag der Städtebauförderung lud in diesem Jahr die Interessenten und Gäste nach Grünau ein. Am Vorabend, am 20. Mai, gab es mit dem Erbauerstammtisch schon so etwas wie eine Auftaktveranstaltung, die auch im offiziellen Programm ausgewiesen war.
Die Volkshochschule hatte neben Klaus Ober, Bernd Puckelwaldt und Siegfried Schlegel aus den Aufbaujahren des Stadtteils auch Barbara Brakenhoff, die nach der Wende in Grünau tätig war, eingeladen. Moderiert wurde die Veranstaltung in bewährter Weise von Prof. Michael Hofmann. Bei der Vorstellung der Gäste nannte er sie schmunzelnd die Patenonkel des Stadtteils und die Krankenschwester, weil Barbara Brakenhoff in einer Zeit Projekte entwickelte, als es Grünau nicht so gut ging und Hilfe nötig war.
Die Zuhörerschaft war bunt gemischt: Alteingesessene (Erstbezieher), Zugezogene und beruflich oder ausbildungsmäßig mit Grünau Verbundene.
Neben Fakten wurden von den Erbauern auch Geschichten erzählt. So vom großen Hund »Monti«
des Besitzers des Schwalbennestes, wo Klaus Ober sein Baubüro eingerichtet hatte. Erschreckt
durch den Riesenhund wurde ein Krankenwagen für die Sekretärin gebraucht und sie hat sich geweigert, das Büro jemals wieder zu betreten.
Und wer kennt sie nicht, die Erfahrungsberichte über im Schlamm der Anfangsjahre steckengebliebene und versunkene Personen und Gegenstände, wie der Kinderwagen von Familie Schlegel. Ebenso konnten die Zuhörer so manches Erlebnis berichten, beispielsweise wie man Kinder wieder sauber bekam. Es passierte auch, dass plötzlich die Baustraße weg war, auf der man doch gerade noch fahren konnte.
Bernd Puckelwaldt erinnerte an die bereits verstorbenen »Väter«
von Grünau: Hans-Dietrich Wellner und Georg Eichhorn. Und auch an die vielen damaligen Bauarbeiter, Taktstraßenleiter,
Brigadiere ..., die enorme Leistungen vollbracht haben (Wie lange dauert demgegenüber heute allein nur die Sanierung einer Brücke!). Sie waren schließlich die eigentlichen Akteure.
Äußere Zwänge können allerdings nicht außeracht gelassen werden – sowohl in der Bauphase als auch nach der Wende. Erwähnt werden sollen hier nur fehlende Baukapazitäten (vorgesehen waren ursprünglich zum
Beispiel mehrere Schwimmhallen) und das Stichwort »Altschuldenhilfegesetz«
. Wer war schuld? Da lässt sich trefflich drüber streiten - wie Bernd Puckelwaldt und Siegfried Schlegel nicht so
ganz ernst zu nehmend deutlich machten. Abriss von städtebaulichen Dominanten (PH 16) und anderen Gebäuden mit Fahrstuhl – war das zweckmäßig oder Unfug?
Nach der Wende gab es neue Probleme, aber auch viele Ideen und Tatendrang. Darüber konnte Barbara Brakenhoff berichten. Ein internationaler Ideenwettbewerb in einem Zirkuszelt auf dem Kasernengelände, die
Gedankenspiele haben damals sehr viel Spaß gemacht. »Ja, wir haben uns vorgestellt, den S-Bahn-Graben zu fluten und eine Wasserverbindung zum Kulkwitzer See zu schaffen. Aber auch die Idee von einem
querverbindenden Bus wurde hier geboren.«
Die Architektin zitierte aus einer Broschüre zum Bürgerbeirat WK 4, den sie begleitet hat: Wichtig sei es gewesen, die Seele des Stadtteils zu entdecken, bevor man ihn verstehen konnte. Und natürlich spielen die Menschen eine wichtige Rolle, denn Kommunikation und Verstehenwollen sind als Teil einer Planungskultur zu begreifen. Es gab damals Pläne ohne Ende, engagierte Planer, Architekten und als eine Hauptkraft die Bewohner, die Grünau voranbringen wollten.
Jedoch die Wohnungswirtschaft handelte zögerlich, der Einfluss auf die Politik war schwierig. Aber es ist auch viel Positives erreicht worden – mit und ohne Fördermittel. Abwanderung und Abriss sind gestoppt. In Grünau wird wieder neu gebaut. Zum Abschluss daher die Frage an alle Podiumsteilnehmer: Was wünschen sie sich zum 50. Geburtstag von Grünau?
Da gibt es dann Antworten wie: einen externen Gestaltungsbeirat, Wachstumsstrategien, Verhinderung sozialer Verwerfungen, aber auch, dass mal ein Verantwortlicher zugibt: Ich habe mich mit einer Entscheidung geirrt. Ansonsten ist Grünau eigentlich schon immer ein lebenswerter Stadtteil gewesen und wird es auch bleiben. Es ist ein Stadtteil, der verbindet, was an diesem Abend mal wieder ganz deutlich zum Ausdruck kam.
Evelin Müller