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Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Im Interview: Martina Lück

Projektmitarbeiterin im Grünauer Gesundheitsnetzwerk »Grünau bewegt sich«

Die Schuleingangsuntersuchungen haben es vor ein paar Jahren zu Tage gebracht: In Grünau leben überdurchschnittlich viele Kinder mit erheblichen Bewegungsdefiziten und einem Hang zur Übergewichtigkeit. Diesem Trend will das Projekt »Grünau bewegt sich« entgegenwirken.

Über einen Zeitraum von fünf Jahren engagieren sich mit Unterstützung der AOK Plus die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK), die Universitätsmedizin Leipzig und das Gesundheitsamt der Stadt Leipzig für Kindergesundheit in Grünau. »Grün-As« unterhielt sich mit der Projektmitarbeiterin Martina Lück über die Arbeit in den zurückliegenden Monaten, bereits Erreichtes und künftige Vorhaben.

Grün-As
Der Start Ihres Projektes wurde im Januar 2015 verkündet, Ihr Projektladen »Bewegungsmelder« eröffnete erst 17 Monate später. Verschenkte Zeit?
Martina Lück
Nein, auf keinen Fall. Abgesehen davon, dass uns ja schon seit November letzten Jahres Interims-Räumlichkeiten zur Verfügung standen, haben wir natürlich auch die Zeit davor intensiv für unsere Arbeit genutzt.
Grün-As
Wofür genau?
Martina Lück
Um unsere Arbeit zu verstehen, muss man wissen, dass wir trotz unseres sehr praxisbezogenen Ansatzes ein Forschungsprojekt sind, das wissenschaftlichen Standards verpflichtet ist. Daher ging es uns zunächst darum herauszufinden, welche Faktoren in Grünau Kindergesundheit überhaupt beeinflussen.
Sprich: welche Qualitäten und Defizite der Stadtteil hat, wenn es darum geht, das Kinder gesund aufwachsen können. Dafür haben wir Gespräche geführt, Vereine besucht, Freizeitangebote eruiert, Spielplätze und Bewegungsmöglichkeiten analysiert und die Struktur der Lebensmittelhändler untersucht, um so aussagekräftige Indikatoren für Kindergesundheit zusammenzutragen.
Grün-As
Vieles davon hätte man aber auch bequem am Rechner analysieren können.
Martina Lück
In der Tat erheben wir nicht alle Daten selbst, sondern greifen auch auf vorhandene Statistiken zurück. Wenn wir aber verstehen wollen, welche Strukturen Kindergesundheit beeinträchtigen oder fördern und mit welchen Schwierigkeiten Kitas und Horte zu kämpfen haben, dann müssen wir das Gespräch vor Ort suchen – mit Grünauer Bürgern ebenso wie mit Erziehern oder Sozialarbeitern.
Das ist immens wichtig für uns, denn wir wollen ja dem Stadtteil nichts überstülpen, was er nicht braucht, sondern vorhandene Projekte und Akteure unterstützen und miteinander vernetzen.
Ob es dabei um Bewegungsangebote im öffentlichen Raum oder um gesunde Ernährung im Kindergarten geht – diese Infos stehen eben nicht im Ortsteilkatalog, die erfahren wir nur in Grünau selbst. Und das war bislang auch die eigentliche Herausforderung: mit den Akteuren ins Gespräch zu kommen.
Grün-As
Wen meinen Sie genau, wenn Sie von »wir« sprechen?
Martina Lück
Das sind zum einen natürlich unsere Projektleiter Prof. Grande und Prof. Kieß. Und unser eigentliches Kernteam, das aus vier Mitarbeiterinnen besteht: Ruth Gausche als Projektkoordinatorin, Ulrike Igel begleitet uns wissenschaftlich, Maria Garz ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und ich bin das Gesicht vor Ort.
Grün-As
Ein bisschen mehr als das Gesicht vor Ort sind Sie aber schon, oder?
Martina Lück
Ja, klar. Letztlich bin ich Ansprechpartnerin für die Bevölkerung, gehe zu Veranstaltungen im Stadtteil, vermittle zwischen Forschung und Praxis, halte Kontakt zu den Akteuren und spinne den Faden unseres Gesundheitsnetzwerkes.
Grün-As
Das klingt alles gut und wichtig, aber doch sehr theoretisch. Wie soll das alles helfen, die Gesundheit der Kinder im Stadtteil zu verbessern?
Martina Lück
Das ist die Herausforderung einer Aktionsforschung. Wir erheben Daten, werten diese aus, informieren über unsere Ergebnisse und planen gemeinsam mit den Beteiligten sogenannte Interventionen, also konkrete Maßnahmen zur Gesundheitsförderung. Dieses Vorgehen sorgt dafür, dass die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen überprüft und wenn nötig nachgesteuert werden kann. Tatsächlich haben wir aber auch schon einige praxisorientierte Projekte gestartet.
Allein die Eröffnung des Bewegungsmelders hat gezeigt, dass die Arbeit unseres Gesundheitsnetzwerkes bis jetzt recht erfolgreich war. Mit den Schulen und Kitas stehen wir in sehr gutem Kontakt. Mit einem Kindergarten erarbeiten wir momentan ein gesundes Vesperangebot. Auch die Ergebnisse unserer Spielplatzan alyse haben wir öffentlich vorgestellt. Und dann veranstalten wir ja den Bewegungstag am 3. Juni mit dem 1. Grünauer Kita- und Hortpokal, für den wir neun Kitas und vier Horte gewinnen konnten.
Grün-As
Bleiben wir mal bei Letzterem: Kinder bewegen sich, spielen Fußball. An sich nichts Besonderes. Oder doch?
Martina Lück
Auf den ersten Blick sicher nicht, aber wir konnten mit dieser Aktion, die wir übrigens von Grünauer Kitas übernommen und erweitert haben, mehrere Projektziele erreichen. Zum einen sind sich die Einrichtungen abseits ihrer sonstigen pädagogischen Zusammenarbeit näher gekommen. Zum anderen haben die Vorrundenspiele im Mai gezeigt, dass man mit einfachsten Mitteln ganz prima den öffentlichen Raum beleben kann. Ein großes Thema für Grünau, wie ich finde.
Wenn es uns jetzt noch gelänge, die Pokalturniere nachhaltig im Stadtteil zu etablieren – beispielsweise in Eigenregie durch die Einrichtungen – wäre das ein großer Erfolg.
Grün-As
Ein großer Kritikpunkt zu Beginn des Projektes war ja, dass die Eltern nicht erreicht würden. Wie kann es gelingen, sie mit ins Boot zu holen?
Martina Lück
Natürlich kommen wir beim Thema Kindergesundheit bei aller Wissenschaftlichkeit nicht an den häuslichen Lebensbedingungen vorbei. Daher setzen wir bei allen Maßnahmen letztlich darauf, dass die Kinder so früh wie möglich ein natürliches Verhältnis zu gesunder Ernährung, zu Sport und Bewegung mit auf den Weg bekommen.
So hat beispielsweise die Vorbereitung auf den Kita-Pokal dazu geführt, dass einige der kleinen Fußballer ihre Eltern gedrängt haben, mit ihnen zu trainieren. Das allein ist schon großartig. Und wenn ein Kind im Kindergarten gern Gemüse und Obst isst, wird es sich das vielleicht beim nächsten Einkauf auch von den Eltern wünschen.
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Einkaufen ist ein gutes Stichwort: Discounter – und davon gibt es sehr viele im Stadtteil – sind nicht gerade dafür bekannt, vorrangig hochwertige, gesunde Produkte anzubieten.
Martina Lück
Das stimmt nicht ganz. In jedem Supermarkt gibt es gesunde Lebensmittel zu kaufen. Sie zählen nicht zu den preiswertesten Produkten und werden auch nicht in der sogenannten »Quengelzone« an der Kasse angeboten, aber es gibt sie.
Die Herausforderung besteht darin, sie zu kennen und zu wissen, was man Schmackhaftes draus machen kann, schnell und unkompliziert. Diese Überlegung kennt doch jeder. Wem fällt schon zu jedem gesunden Lebensmittel gleich ein tolles Rezept ein? Wir sind deshalb gerade dabei, gemeinsam mit Lebensmittelanbietern Kampagnen zu entwickeln, die das Einkaufen und die Zubereitung gesunder Lebensmittel einfacher und attraktiver machen.
Grün-As
Das klingt interessant. Und die weiteren Ziele wären?
Martina Lück
Ganz klar: Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche in Grünau gesund aufwachsen, sich ausreichend bewegen und gesund ernähren können. Dafür braucht es das passende Umfeld: gesundheitsförderliche Strukturen, die wir gemeinsam mit den Institutionen vor Ort gestalten wollen. Schließlich wollen wir am Ende bewirkt haben, dass Kinder in Grünau genauso beweglich und nicht dicker sind als Kinder anderer Leipziger Stadtteile.
Grün-As
»Grün-As« wünscht Ihnen dafür Gutes Gelingen und bedankt sich für das Gespräch.
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