Mordshunger
Eine Mord- und Heimatgeschichte des Grünauer Autors Jürgen Leidert
Teil 24
Ich dachte an die Ermahnung der Tante. Als ich mich wieder hochrappeln wollte, sah ich aus dem Boden einen weißen Finger herausragen. Ich schrie laut auf: »Äh, schnell, schnell, kommt alle raus,
kommt schnell hierher!«
Peter war gleich neben mir, Gunter, Irene und Fred kamen auf mein Gebrüll hin sofort aus ihren Verstecken. »Seht mal, was ich hier gefunden habe! Einen Finger«
, schrie ich. Peter nahm den
Finger und zog an ihm.
Plötzlich hatte er einen ganzen Arm, bekleidet mit einem dunkelblauen Pullover, aus dem Erdreich gezogen, ließ ihn aber abrupt wieder fallen. »Äh, der stinkt ja eklig!«
Alle schrien
durcheinander: »Hilfe, Hilfe! Ein Toter!«
Gunter stellte fest: »Ist ja gruslig, mit Peter finden wir öfter Leichen.«
Irene war gleich weggerannt. Ich sagte zu Peter und Fred: »Das müssen wir sofort melden, da muss der Gemeindediener Schröer hergeholt werden, sieht aus, als wäre es Stannebeins Olaf.«
Peter meinte: »Ja, ja, mir ist ganz übel, schließlich sind wir zusammen zur Schule gegangen.«
»Wollen wir erst mal sehen, ob es wirklich Ole ist, kann sein oder auch nicht sein. Gunter geh mal ins Haus und berichte, was wir hier Furchtbares entdeckt haben; deine Mutter soll den
Gemeindediener Otto Schröer anrufen, er möchte sofort hierherkommen, um sich den Leichnam selbst anzusehen. Möglicherweise muss er auch den Dorfsheriff von Rückmarsdorf mit herbestellen«
, beauftragte
ich meinen Cousin.
»Mir ist ganz schlecht, ja, ich bin schon weg«
, antwortete er und rannte nach Hause. Irene wollte gleich mit zu ihrer Mutter. Sie lief mit Gunter. Mit Peter und Fred hatte ich mich zum
Waldesrand begeben. An einer trockenen Stelle haben wir uns niedergelassen. Natürlich waren wir traurig, aber auch neugierig, wie sich die Dinge nun aufklären sollten.
KAPITEL V
Mutter kam mit Tante Marla, Frau Manns und Frau Schmidt zum Fundort, um sich davon zu überzeugen, dass es keine kindliche Spinnerei war, was berichtet wurde. Tante lief aber schnurstracks zurück, da sie sah, dass die Schilderungen der Wahrheit entsprachen, um den Gemeindediener Otto Schröer anzurufen.
Schröer hatte danach sofort den Dorfpolizisten von Rückmarsdorf eingeschalten und er den für Rückmarsdorf, Miltitz, Frankenheim und Lindennaundorf von den Amis eingesetzten Bürgermeister Franz Campon. Campon war der englischen Sprache mächtig. Über solche Vorkommnisse war er verpflichtet die amerikanische Militärverwaltung zu unterrichten.
Zuerst hatte sich der Rückmarsdorfer Polizist Gerhard Hoffmann mit dem Fahrrad eingefunden, kurz darauf der Gemeindediener, der noch beim Wattel vorbeigeschaut hatte. Schröer hatte dem Axel den Fund
mitgeteilt. »Der Junge hatte sich gleich übergeben müssen. Er sah selbst aus, wie eine Leiche. Den werden wir kaum hierher holen können«
, verständigte er den Polizisten.
»Jedenfalls, Otto, es muss der Fundort abgesperrt, auf Spuren untersucht werden. Die Kinder müssen nach den Umständen des Auffindens genau befragt werden. Da müssen wir mit viel Fingerspitzengefühl
vorgehen! Natürlich hat die Polizei die Regie.«
Nun war auch der Bürgermeister in den Ellern eingetroffen. Mittlerweile stand die Sonne hoch, die Kirchenglocken ertönten zur zwölften Stunde von
Rückmarsdorf und Lindennaundorf herüber.
Jürgen Leidert