Gartenschau mit blauer Kuh bei Vollmond
Medienschelte oder Hofberichterstattung - beides keine Lösung
Am 24. März tagte das Forum Leipzig-Grünau bereits zum 12. Mal, aber so viele Besucher
hatten sich noch nie zuvor an einem Forumsnachmittag in der Völle gedrängelt. Das war zum einen
das Resultat zahlreicher Ankündigungen in den Medien, der Werbung im und durch den
Stadtteilladen oder zahlreicher Vorgespräche wie zum Beispiel der Grünauer Agendagruppe. Auf
der anderen Seite scheint es so, dass das Thema »Grünau im Gerede - schöner Stadtteil,
schlechter Ruf?«
den Nerv der Leute getroffen haben muss.
Aus der Berichterstattung in den Medien erkennen sie mitunter ihren Stadtteil nicht wieder. Ihnen selbst erscheint ihr Wohngebiet grün, vielfältig, freundlich und einladend, während er von Nicht-Grünauern oftmals als (beton)grau, unfreundlich und abweisend empfunden wird.
Die Diskussion mit den Pressevertretern und Fachleuten war rege und teilweise kontrovers.
Dennoch verließen viele Besucher die Veranstaltung mit einem Gefühl von Enttäuschung. Zu sehr
blieb es bei einer »Medienschelte«
. Und das bringt - wie die meisten wissen - nicht viel. Eine
»Hofberichterstattung«
kann und wird es nicht geben - darüber sind sich die Teilnehmer und
Gäste einig. Wo aber liegt das richtige Maß für eine kritisch-konstruktive Begleitung der
Dinge, die im Stadtteil passieren, sowohl der positiven wie auch der problematischen?
Frau Schönfelder, Autorin des Rundfunkfeatures »Phantasie nach Plan. Eine Liebeserklärung an
das Neubaugebiet Grünau«
(Grün-As berichtete) beschrieb anschaulich, wie wirkungsvoll es war,
die Medienskeptiker nach Grünau einzuladen und durch den Stadtteil zu führen. Die
Pressevertreter ihrerseits forderten die Grünauer Akteure auf, ihnen mehr Information zukommen
zu lassen.
Was aber soll man von einer solchen Aufforderung halten, wenn auch das von mehr als 150
Personen besuchte 12. Forum Leipzig-Grünau und die stattgefundene lebhafte Diskussion fast gar
kein Presseecho im Anschluss hervorrief? So bleibt die Schlussfolgerung naheliegend, dass die
Stadtteilakteure selbst überlegen müssen, worin die Qualitäten von Grünau liegen und diese
deutlicher und origineller als bisher in die Öffentlichkeit vermitteln. Die Ideen des Forums
reichen dazu von einer »Gartenschau im Plattenbau«
über die »blaue Kuh auf dem Dach«
bis hin
zum »Laserstrahl bei Neumond«
(falls es jetzt Leser gibt, die nichts mit diesen schillernden
Begriffen anzufangen wissen, sollten diese auf keinen Fall das nächste Forum versäumen).
Marketing wird nicht von der Presse geleistet, sondern von denjenigen, die ihr Produkt verkaufend wollen. Die Medien vermitteln lediglich den Lagewert, den man in der öffentlichen Meinung einem Stadtteil zubilligt, brachte Herr Dr. Gelfort aus Berlin zum Ausdruck. Was er dazu für notwendig hielt, führte er (übrigens im umstrittensten und anschließend am heftigsten kritisierten Beitrag des Nachmittags) aus. Er rannte damit offene Tore ein, denn die Grünauer Forumsteilnehmer erkannten eindeutig ihre selbst verfassten Leitlinien für die Stadtteilentwicklung wieder.
Der Beigeordnete für Planung und Bau, Herr Dr. Lütke Daldrup, nahm in seinem Beitrag (der vielleicht in seiner Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen den Höhepunkt der Veranstaltung darstellte) auf die dort formulierten Ziele zur Stadtteilentwicklung Bezug.
Grünau ist ein kinder-, familien- und seniorenfreundlicher Stadtteil. Er hat eine exzellente Infrastruktur und bietet Natur pur. Wenn sich angesichts der jetzt abzeichnenden Einwohnerrückgänge auch in Grünau Leerstände abzeichnen, soll es nicht zuerst um Rückbau oder Neubau gehen - das wären schließlich nur die Mittel zum Zweck - vielmehr müsse man die von den Stadtteilakteuren verfolgten Qualitäten - also die Ziele - an den Anfang der Diskussion stellen. Für Grünaus dichte Baustrukturen läge eine Auflockerung nahe und die Stärkung der gartenstadtartigen Qualitäten. Womit wir wieder bei den Leitlinien wären.
Die Veranstalter und Forumsteilnehmer sind sich einig. Das Forum Leipzig-Grünau ist eine gute Sache, um genau diese Fragen auszuhandeln. So schwierig sich die Diskussion im einzelnen auch erweisen mag - es gibt keine Alternative zur gemeinsamen Debatte und abgestimmten Arbeit. Nun, da das Forum nach Abschluss des Planspiels in eigener Regie weitergeführt wird, muss es sich auch aus eigener Kraft und durch die rege Mitwirkung der berufenen Forumsmitglieder legitimieren.
Das 12. Forum mit seiner Vielzahl von Besuchern aus dem Stadtteil hat deutlich gemacht: Das
Forum ist keine abstrakte Struktur, die von außen in den Stadtteil implantiert wurde, sondern
Teil des Stadtteils. Der erreichte Grad von Öffentlichkeit muss unser Standard bleiben. Daher
wird es kein Nachlassen in den Bemühungen geben, die Grünauer und Grünauerinnen zu erreichen
und in das Gespräch zu integrieren. Begleiten Sie uns auf diesem Weg, bei dem man nur durch das
Tun lernen kann, um den häufig gebrauchten Begriff »learning by doing«
zu übersetzen. Das
nächste Forum Grünau findet am 16. Juni 2000, zwischen 14.30 Uhr und 18.30 Uhr im Freizeittreff
Völkerfreundschaft, Stuttgarter Allee 9, statt. Mitdiskutanten sind herzlich willkommen.
Tom Pauls
Tom Pauls, alias »Ilse Bähnert«
, begeisterte mit seiner Vorstellung das
Publikum im überfüllten KOMM-Haus.