Grün-As

Mit dem Bus zu den Kranichen in der Dübner Heide

Jedes Jahr im Herbst sammeln sich im Wildenhainer Bruch, nordöstlich von Eilenburg hunderte Kraniche aus Nordeuropa. Hier tanken sie noch einmal Kraft, bevor sie in ihre Winterquartiere in Spanien weiterfliegen. In ganz Deutschland gibt es wieder etwa 3000 Brutpaare dieser großen Vögel, den größten Teil davon in Mecklenburg-Vorpommern. Selbst am Stöhnabecken, ca. 7 km von der südlichen Stadtgrenze Leipzigs entfernt, sind in den letzten Jahren schon junge Kraniche und Durchzieher gesehen worden. Vielleicht brüten sie hier auch eines Tages, direkt vor den Toren unserer Stadt. Kraniche sind Bodenvögel, die vorzugsweise in offenen Moor- und Sumpflandschaften brüten. Auf einem Baum wird man Kraniche im Gegensatz zum ähnlich großen Reiher nicht sehen. Im Flug strecken Kraniche ihre Hälse gerade aus, während Reiher ihren Hals zurückkrümmen, so dass der Kopf im Flug auf dem Brustkorb ruht. Daran kann man beide Vögel auch im Flug ohne Fernglas sicher unterscheiden. Dazu kommt, dass Kraniche gern und häufig rufen. Ihr eigenartiges Trompeten ist unverkennbar.

Zu ihren nächsten Verwandten bei uns gehören die Bleßrallen, bekannter unter dem Namen Blesshühner und die Großtrappe, deren Hähne die schwersten flugfähigen Vögel der Erde sind. Erst vor wenigen Jahren sind die letzten Großtrappen zwischen Delitzsch und Leipzig ausgestorben. Die naturfremde Landwirtschaft mit ihren riesigen Monokulturen und ihrem intensiven Chemieeinsatz lies ihnen keinen Platz mehr zum Leben. Durch ihr Leben im geheinissvollen, einsamen Moor, ihre eindrucksvollen Balztänze und ihre eigenartigen Rufe haben Kraniche schon unsere Vorfahren fasziniert. Vor über 4000 Jahren wurden diese Vögel im Reich der Pharaonen in halbzahmen Herden als Opfertiere gehalten und gemästet. Das Gedicht von den sagenhaften Kranichen des Ibykus haben viele sicher noch aus der Schulzeit im Gedächtnis. Vielerorts wurden sie als Götterboten verehrt.

Dennoch haben wir Menschen diesen schönen Vögeln arg zugesetzt. Vor allem durch Zerstörung ihrer Lebensräume, der Moore. Insofern kann jeder auch zum Schutz der Lebensräume der Kraniche beitragen, wenn er alles im Gartencenter oder im Supermarkt liegen lässt, was Torf enthält: Blumenerde, verschiedene Substrate und natürlich reinen Torf. Es gibt inzwischen vollwertige Alternativen auf Kompostbasis. Des Torfes wegen werden noch immer Moore zerstört. In der Dübener Heide blieb das Moor erhalten, aber es wurde stark durch Grundwasserabsenkung geschädigt. Melioration und der nicht allzu weit entfernte Tagebau haben ihren Tribut gefordert. Unter Druck geraten die Kraniche durch Kommunalpolitiker, denen bei Wirtschaftsförderung vor allem Straßenbau einfällt, aber auch durch Großstädter, denen jedes Verständnis für Natur abhanden gekommen ist und die daher breite Schneisen von Zerstörung und Müll hinter sich lassend immer tiefer in die Brutgebiete, der in der Brutzeit gegen Störungen äußerst empfindlichen großen Vögel, vordringen. Im Winter in Spanien geraten die Kraniche ebenfalls unter Druck. Durch Intensivierung der Landwirtschaft schwinden ihre Ruheplätze, und viele spanische Bauern sehen in den Allesfressern einfach lästige Schädlinge, die ihre Ernten schmälern. Einen Grund, mit Fingern auf die Spanier zu zeigen, haben wir dennoch nicht: viele Bauern und Jäger bei uns versuchen genauso gegen Wildgänse vorzugehen, die bei uns im Herbst und Frühwinter in großen Schwärmen Station machen, in ihrer Brutheimat im hohen Norden aber genauso selten sind wie bei uns Kraniche.

Es ist überall dasselbe: auf der Jagd nach kurzfristigem Gewinn werden weltweit vor allem von Land- und Fischwirtschaft Lebensräume seltener Tiere und Pflanzen zerstört, immer mehr seltene Arten ganz ausgerottet. Ein Weg, sich dagegen zu wehren, ist der Kauf von Produkten aus ökologischen Landbau.
Vor allem in Mecklenburg ist den Kranichen aber auch durch unsinnigen »Schutz« schwerer Schaden zugefügt worden. So haben noch in den 50er Jahren in den großen Sümpfen am Ostufer der Müritz ca. 200 Paare gebrütet, bis den umliegenden Genossenschaften untersagt wurde, dort ihre Kühe zu weiden. Im Ergebnis wuchs das Gras nun zwei Meter hoch, und es bildete sich ein undurchdringlicher Dschungel, undurchdringlich vor allem auch für die Kraniche. Innerhalb weniger Jahre ging ihr Bestand um 95% zurück. Rettung in letzter Minute brachten schwedische Fjälrinder, die halb wild das ganze Jahr im Freien leben und nun das Gras in den Sümpfen in kranichverträglichen Höhen halten. Diese Arbeit haben in alten Zeiten die längst ausgerotteten Vorfahren der Rinder, die Auerochsen, erledigt. Es hat allerdings Jahrzehnte gedauert, bis der alte Kranichbestand wieder erreicht war.

Auch im Wildenhainer Bruch gibt es für die Naturschützer viel Arbeit, anstelle der ausgerotteten großen Huftiere unserer Heimat das Moor in einer kranichverträglichen Form zu halten. Am 14. Oktober werden wir in eines der letzten erhaltenen Moore Sachsens zwischen Pressel und Wildenhain eine Exkursion durchführen. Wir fahren dazu mit dem Bus 13 Uhr vom KOMM - Haus in der Selliner Straße 1c in Grünau ab. Vor Ort werden wir, zunächst von Naturschutzexperten geführt, durch die einmalige Moor- und Heidelandschaft wandern. Nach einer Pause werden wir von einer speziell gebauten Besichtigungsplattform beobachten, wie in der Abenddämmerung hunderte von Kranichen sehr geräuschvoll von der Futtersuche auf den Feldern der Umgebung zu ihren Ruheplätzen für die Nacht zurückkehren. Die Chancen, die Kraniche zu sehen, sind sehr hoch. Nur bei extremen Störungen oder schweren Unwettern werden wir wohl kein Glück haben. Aber so ein Restrisiko lässt sich bei Naturexkursionen nicht ausschließen. Ist die Nacht nicht zu dunkel und wurde bzw. wird nicht gejagt, können wir anschließend noch einmal in den Wald gehen, um einen Eindruck von der Brunft der Rothirsche zu gewinnen.

Da die Kapazität der Plattform zur Beobachtung der Kraniche begrenzt ist, können wir nur 20 Teilnehmer mitnehmen. Eine Anmeldung bei der Volkshochschule (in der aktuellen Programmbroschüre finden sich weitere Informationen) ist daher dringend zu empfehlen. Sollten noch Plätze frei sein, werden natürlich auch kurz entschlossene ohne Anmeldung mitgenommen.

Dr. Leonhard Kasek
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