Intervallstudie 2000
Teil 2 - Es geht wieder aufwärts in Grünau!
Unsere Studie zum Wohnen in Grünau wird seit 1979 durchgeführt und die Befragung der Grünauer Bürger wird alle paar Jahre wiederholt. Anhand der Antworten kann man ziemlich genau verfolgen, wie sich die Meinungen der Grünauer zu Grünau verändert haben. Sie reichen vom euphorischen Höhepunkt 1979 - man hatte endlich eine eigene, moderne, neue, bequeme Wohnung und war hochzufrieden - bis zum Tiefpunkt 1995, es zogen viele aus und noch mehr hatten es vor, die Wohnumfeldverbesserungen waren noch nicht so sichtbar und die ersten Wohnblöcke wurden privatisiert. Der große Wegzugsboom sollte aber noch kommen: von 1996 bis 1999 verlor der Ortsteil Mitte (das sind die Wohnkomplexe 4 und 5.2) rd. 19% der Bevölkerung und der Ortsteil Nord (das ist der Wohnkomplex 7) fast 22%.
Es waren vor allem Ehepaare mit Kindern, vorwiegend Schulkindern, die Grünau seit 1995 verlassen haben, darunter verständlicherweise alle diejenigen, die schon immer den Wunsch nach einem eigenen Häuschen im Grünen hatten und ihr Vorhaben nun endlich realisieren konnten. 1995 interessierten sich immerhin ein Viertel aller Befragten für ein Einfamilienhaus, 2000 nur noch 17%.
Wir stellten auch 2000 wieder die Frage, ob sich die Grünauer in ihrer Wohnung und auch in in ihrem Stadtteil Grünau wohl fühlen. Es zeigte sich, dass der Anteil derjenigen, die sich ohne Einschränkungen in ihrer Wohnung wohl fühlen, gegenüber 1995 von 49% auf 55% gewachsen ist. Zwischen den einzelnen Wohnkomplexen gibt es bei der Beurteilung des Wohlbefindens in der eigenen Wohnung folgende Unterschiede:
Insbesondere die Antworten zum Wohlbefinden in Grünau fielen 2000 häufiger positiv aus: 1995
waren es nur 36%, die dabei keine Einschränkungen machten, 2000 stiegen die positiven Antworten
auf 48%! Also fast die Hälfte akzeptiert ohne »Wenn«
und »Aber«
ihren Wohnstandort Grünau so,
wie er jetzt ist. Natürlich gibt es auch dabei Unterschiede zwischen den Wohnkomplexen, neben
hochgradiger Zufriedenheit mit Grünau in den Wohnkomplexen 1, 2 und 3 gibt es weniger positive
Meinungen in den Wohnkomplexen 4, 5.1 und 7.
Die Mehrheit aus den WK 1 und 2 findet den eigenen Wohnkomplex attraktiv, aber nur ein Drittel
der Befragten aus den WK 5.1 und 5.2. Vielleicht spielt bei diesen Ergebnissen eine Rolle, dass
im WK 5.1 zufällig mehr »Neu-Grünauer«
als in anderen Wohnkomplexen befragt wurden (sie wohnen
unter 10 Jahren in Grünau) und im WK 5.2 besonders häufig Klagen über Lärmbelästigung und
mangelnde Sauberkeit im Wohnumfeld geäußert wurden, was die Attraktivität eines Wohngebiets
verständlicherweise mindert.
Überrascht hat uns, dass noch nicht einmal die Hälfte der
Grünauer (41%) es für wichtig hält, dass die einzelnen Wohnquartiere sich rein äußerlich
stärker voneinander unterscheiden. Es steht außer Frage, dass es wichtigere gewünschte
Veränderungen gibt, aber ein Gewinn wäre es allemal, wenn mehr Vielfalt und Abwechslung ins
Wohngebietsbild käme.
Dagegen interessieren sich 60% für einen Ringbus, der die einzelnen Wohnkomplexe miteinander
verbindet. Wenn man bedenkt, dass der Stadtteil rd. 60 000 Einwohner hat und Einrichtungen des
Zentrums von vielen genutzt werden möchten, ist dieses Interesse nur allzu verständlich. Das
betrifft u.a. die bessere Erreichbarkeit des Schwimmbades oder der Post.
Die Infrastruktur
Grünaus hat sich in den letzten 5 Jahren spürbar verbessert. Und trotzdem bleiben Wünsche
offen. Am meisten vermißt werden Cafés, gemütliche Kneipen um die Ecke, Clubs für Jugendliche,
Treffs für Senioren und von 10 % der Befragten auch Sportflächen bzw. -hallen. Sehr viele
vermissen eigentlich nur mehr Bänke und mehr fachkundige Pflege für die Grünflächen. Wir
vermuten allerdings, dass die Wünsche in anderen Leipziger Stadtteilen - mit Ausnahme des
Zentrums - ähnlich ausfallen würden, denn wo gibt es schon genügend Cafés oder Jugendclubs, um
alle Wünsche zu erfüllen?
Ein Vorschlag ist erwähnenswert: Es schrieb ein über 40-jähriger Mann aus dem WK 4: »Es
wäre wünschenswert, wenn unsere Altersgruppe ab 40 Jahre in Grünau die Möglichkeit hätte,
Tanzveranstaltungen besuchen zu können. In der Stuttgarter Allee hinter der Schwimmhalle ist
eine ehemalige Apotheke zum Verkauf angeboten. Da könnte man doch eine Tanzgaststätte
herrichten zum Wohle für die Grünauer!«
Ein in den letzten Jahren häufiger auftretendes
Problem scheinen die Verunreinigungen der öffentlichen Plätze, Wege, Spielplätze und -wiesen
mit Hundekot zu sein. Sehr viele Grünauer äußerten sich dazu, manche auch sehr verbittert, weil
dagegen zu wenig getan wird.
»Die Platte steht am Scheideweg«
sagte kürzlich ein Dresdner Architekt gegenüber der
Leipziger Volkszeitung, »entweder die Stadtteile werden aufgewertet oder sie driften ab in
soziale Notstandsquartiere«
warnte er. Grünau ist schon aufgewertet worden, und es tut sich
weiter eine Menge. 85% der Grünauer bestätigten, dass die Sanierung und Modernisierung der
Häuser und des Wohnumfeldes Grünau schöner machen, das »Abdriften«
konnte erst einmal gebannt
werden. Ja, es gibt Arbeitslose in Grünau, aber auch nicht mehr als in Leipziger Ziegelbauten.
Arbeits-losigkeit ist zumindest in Leipzig kein »Plattenproblem«
. Das größte Kompliment für
Grünau gab es bei der Beantwortung unseres »Generalindikators«
, der in jeder Untersuchung
gestellten Frage: »Würden Sie einem guten Freund raten, nach Grünau zu ziehen?«
Von 78% im
Jahre 1979 war die Zahl derer, die diese Frage mit »ja«
beantworteten, 1995 auf 33% gesunken.
Das war niederschmetternd, und viele glaubten sich in ihrer Vorausschau des »Abdriftens«
bestätigt. Aber jetzt scheint das Tal durchschritten, die Anziehungskraft Grünaus scheint
zumindest im Selbstbild wieder zu wachsen - die Anstrengungen der Stadt, des Landes und des
Bundes sowie der Wohnungswirtschaft scheinen sich gelohnt zu haben, denn jetzt würden 40% ihrem
Freund raten, nach Grünau zu ziehen - das dürfte kein Zufall sein!
Jetzt ist Handeln gefragt!
Lang erwartet ob mit hoffnungsvollem Bangen oder
Unbehagen , nun liegen sie schwarz auf weiß vor, die Ergebnisse der Intervallstudie "Grünau
2000", die beim Grünauer Stammtisch am 5. September von Frau Prof. Kahl einem interessierten
Publikum vorgestellt wurden.
Vermutungen haben sich bestätigt, und es lässt sich anhand der
Zahlen belegen, dass Grünau besser ist als sein Ruf. Hoffentlich wird das von den Medien
entsprechend zur Kenntnis genommen!
Die Studie zeigt aber auch, dass der Ansatz Millionen in Wohnumfeldverbesserungen investieren und schon sind die Probleme gelöst so nicht funktioniert. Das Ursachenspektrum für Unzufriedenheit ist viel breiter. Probleme wie Lärm, Dreck, Vandalismus werden jedoch oftmals von den Grünauern selbst verursacht. Andererseits kristallisieren sich ziemlich eindeutig die Vermieter heraus, die einem Abwärtstrend des Wohngebietes Vorschub leisten so hat es zumindest den Anschein. Diesen Problemen zu Leibe zu rücken, dazu bedarf es keiner Riesensummen, hier ist die Verantwortlichkeit jedes Einzelnen sowie jedes Vermieters gefragt.
Gerade auch die schriftlichen Kommentare, die auf den Fragebogen vermerkt wurden, zeigen,
dass viele Grünauer gern in ihrem Stadtteil bleiben würden, aber… eine große Rolle spielen
das Klima im Hause und das Verhalten des Eigentümers. Daraus die richtigen Schlussfolgerungen
zu ziehen, das müsste doch den einzelnen Unternehmen gelingen, zumal es ja die verschiedensten
Gremien im Stadtteil und in der Stadt gibt, wo die Verantwortlichen an einem Tisch sitzen.
Nachdenklich stimmt auch die Feststellung zahlreicher Befragter, dass es im Stadtteil an
Vereinen, Freizeit- und Bildungsangeboten fehlt, denn nicht nur die Volkshochschule Leipzig,
deren Grünauer Außenstelle sich im Stadtteilladen in der Stuttgarter Allee befindet, bietet ein
breites Spektrum an Angeboten für verschiedene Altersgruppen. Ein Blick in den
Veranstaltungskalender des »Grün-As«
zeigt ebenso viele Möglichkeiten. Es gibt in Grünau über
100 Vereine! Und niemand hindert eigentlich einen Grünauer daran, selbst eine Interessen- oder
Selbsthilfegruppe ins Leben zu rufen. Man wird nur (leider?) nicht mehr an die Hand genommen
und durchs Leben geführt.
Zum Schluss ein Dankeschön an Frau Kahl, dass sie es mit Ausdauer und Energie geschafft hat, der seit 1979 laufenden Intervallstudie Grünau einen weiteren Baustein anzufügen, der nicht in der Schublade verschwindet, sondern hoffentlich den Akteuren im Stadtteil als Arbeitsgrundlage dient und entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen wird.
Evelin MüllerProf. Alice Kahl führte im Jahr 2000 die Studie zum Leben in Grünau fort. Grün-As veröffentlichte 2000 und 2001 insgesamt sechs Artikel mit den Ergebnissen der Studie:
Ausgewertet Es geht aufwärts! Wer bleibt - wer geht? Ein guter Nachbar Wohnwünsche Image & Perpektive
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