Chronik der Siedlung Grünau
Befreiung der Siedlung durch die Amerikaner am 17.-18.April 1945
Leipzig. Foto: US-Army, 69. Infanteriedivision
Am 16.04.1945 umschlossen US-Infanteriedivisionen Leipzig weiträumig,
um in den nächsten Tagen die Stadt einzunehmen. Die Siedler konnten das Grollen des Kanonenfeuers deutlich hören. An der
Ecke Miltenberger Straße/Fränkische Straße (heute Ratzelstraße) gruben sich acht mit Panzerfäusten bewaffnete Soldaten
unter Leitung eines SS-Mannes ein. Bewaffnete Volkssturmmänner gingen am Nordrand
der Siedlung in Stellung. Am 17.April schlugen einige Granaten in der Siedlung ein. Ein Bewohner der Fürther Straße wurde
schwer verletzt.
Im Morgengrauen des 18. April gingen Teile der 2.US-Infanteriedivision über die Siedlung zum
Angriff auf das Stadtzentrum vor. Zum Glück hatten die deutschen Soldaten und die
Volkssturmmänner Stunden vorher ihre Stellungen verlassen und ihre Waffen mit Munition zurück gelassen.
Leipzig. Foto: US-Army, 69.
Infanteriedivision
Leider endete das Leben eines blutjungen deutschen Soldaten tragisch. Siedler aus der Fränkischen Straße konnten ihn
nicht davon überzeugen, dass seine Fahrt mit dem Krad zur Überbringung einer Meldung nach Leipzig sinnlos sei. Noch
jahrelang erschütterte die Siedler dieses Schicksal, wenn sie an seinem Grab an der Schwabacher Straße vorbei gingen.
Die Bewohner der Fränkischen Straße am Ende der Siedlung waren die Ersten, die von den aus Richtung Lausen kommenden schwarzen Amerikanern begrüßt wurden. Die Mehrzahl der Siedlungshäuser war weiß geflaggt. Die US-Soldaten durchsuchten die Siedlungshäuser und durchquerten zügig ohne besondere Vorkommnisse die Siedlung.
Eine Ausnahme war das Schicksal des deutschen Soldaten, der an der Ecke Fürther Straße/Schwabacher Straße von mehreren
Gewehrsalven niedergestreckt wurde. Der Milchhändler, der uns täglich mit seinem vom Hund gezogenen Wagen mit Milch
versorgte, büßte diesen im Vormarsch der US-Infanteristen ein.
Skizze von Dieter Kürschner, Militärhistoriker
1: Stellung der deutschen Soldaten (16./17.4.), 2: Stellung
des Volkssturms (16./17.4.)
3: Amerikanische Kommandantur (24.4.), 4: Soldatengrab
Rote Pfeile: Infanteriedivision
der US-Armee (18.4.)
Teile der Kampfgruppe der
Amerikaner konzentrierten sich mit ihren Fahrzeugen und leichten Geschützen an der Ecke Fürther/Schwabacher Straße. Am
18.April vormittags fand dort die erste freundliche Begegnung zwischen den Amerikanern und den Siedlern, insbesondere den
Jugendlichen und Kindern statt. Das Motto der damaligen Erwachsenen lautete: »Hauptsache die furchtbaren
Bombenangriffe sind vorüber - egal was da komme!«
.
Die nachfolgenden US-Truppen richteten in der Fürther Straße 20 eine
Kommandantur ein. Die Amerikaner brachten die Fremdarbeiter zeitweilig in der Kaserne an der Lützener Straße unter. Die
Fremdarbeiter, die unter dem faschistischen System stark zu leiden hatten, starteten als Vergeltung Raubzüge, die von den
Amerikanern offensichtlich toleriert wurden. Die Siedler versuchten sich dagegen mit gemeinsamen Aktionen zu wehren. Auf
den meisten Grundstücken wurden Blechtafeln aufgehangen. Bemerkte ein Siedler einbrechende Fremdarbeiter schlug er Lärm.
Die Nachbarn schlugen daraufhin ebenfalls auf ihre Bleche, so dass innerhalb kürzesteter Zeit in der drei Kilometer langen
Siedlung ein ohrenbetäubender Lärm entstand, der die Fremdarbeiter zur Flucht veranlasste.
Manfred Martin