Grün-As

Plötzlich krachte es

Erlebnisbericht

BildAuf dem Marsch. Foto: US-Army, 69. Infanteriedivision

Als elfjähriger Junge lebte ich im April 1945 in der Siedlung Grünau in der Fürther Straße. Am 16.04.1945 hörte ich aus westlicher Richtung Gefechtslärm und sah danach, wie bewaffnete Volkssturmmänner durch die Rothenburger Straße zogen und am Rand der Siedlung Stellung bezogen.

Am folgenden Tag holte ich bei herrlichem Frühlingswetter saftiges Gänsefutter vom Rand der Schwabacher Straße. Plötzlich krachte es. Splitter schwirrten umher. So schnell wie ich konnte, sauste ich in unseren 200m entfernten Luftschutzkeller. Kaum angekommen, krachte es mit noch viel größerer Lautstärke um uns. Eine Granate war in unser Nachbargrundstück eingeschlagen.

BildZerstörter Jeep. Foto: US-Army, 69. Infanteriedivision

Wenige Minuten später kamen die Nachbarn blutüberströmt zu uns. Meine Mutter leistete erste Hilfe. Die Folgezeit verbrachten wir nur noch im Keller. In der Morgendämmerung wurde ich von Gewehrschüssen in unmittelbarer Nähe aufgeschreckt. »Jetzt sind sie da«, dachte ich.

Am Vormittag des 18. April schlich ich zum Gartentor und sah in der Nähe eine Fahrzeugkolonne der Amerikaner. Mir sind die schwarzen Soldaten, die uns Kindern zulächelten und Schokolade und Kaugummis verteilten, in Erinnerung geblieben. Die Volkssturmmänner waren zum Glück so besonnen, nicht in den Kampf einzugreifen. Einige erkannte ich wieder, als sie in Zivilsachen am 18.04. die Amerikaner betrachteten. An diesem Tag durchsuchten die US-Infanteristen, in erster Linie Schwarze, ohne ernste Vorkommnisse die Siedlungshäuser.

BildLeipzig nach dem letzten Bombenangriff.

An der Ecke Fürther Straße/Schwabacher Straße sah ich den einzigen Toten liegen. Es war ein blutjunger deutscher Soldat, der als Melder glaubte, bis zur letzten Minute seine Pflicht erfüllen zu müssen. Er wurde durch mehrere Gewehrsalven der US-Infanteristen, die ich hörte, niedergestreckt. Er wurde vorerst in einem unbewohnten Grundstück der Schwabacher Straße begraben. Später kam ein Holzkreuz mit Stahlhelm auf sein Grab.

Heute - 60 Jahre später - sehe ich den 18 April 1945 als einen sehr wichtigen Tag in meinem Leben an. Wir wurden von dem verbrecherischen faschistischen System befreit.
Manfred Martin

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