Grün-As

Georg Schwarz

StolperSTEINE - Gedenken in Leutzsch

Auch das zweiköpfige »Grün-As«- Team beteiligte sich an einer Mahnwache - dieses Mal nicht in Grünau, sondern in Leutzsch zum Gedenken an den Sozialdemokraten und späteren Kommunisten Georg Schwarz, der einst in der heute nach ihm benannten Straße im Leipziger Westen zu Hause war. Georg Schwarz war kein Jude, aber ein erklärter Gegner Hitlerdeutschlands und fiel dieser, seiner Überzeugung letztlich zum Opfer. Lange vor den Novemberpogromen wurde er in der Nacht vom 1. auf den 2. März 1933 verhaftet und war ein Jahr lang in den KZ Hohenstein und Sachsenburg inhaftiert. Nach seiner Freilassung unter­stützte er die KPD in Leipzig und wirkte ab 1938 an deren Spitze mit. 1943 schloss er sich einer der größten Widerstandsgruppen, der sogenannten Schumann-Engert-Kresse-Gruppe an.

Im Juli 1944 wurde Schwarz erneut verhaftet und vom Dresdner Volksgerichtshof zum Tode verurteilt - mit ihm die meisten anderen seiner Weggefährten. Hingerichtet wurde er am 12. Januar des darauf folgenden Jahres. 64 Jahre nach seinem Tod hält uns zwar die Straße eine gewisse Erinnerung an Georg Schwarz wach. Aber auch wenn der Name »Schwarz« im Gegensatz zu den vielen Opfern, deren Namen wir noch nie gehört haben, geläufiger ist, die Person und das Schicksal ist den meisten Leipzigern unbekannt. Umso wichtiger erschien uns die Mahnwache an seinem Stolperstein, der erst in diesem Jahr auf Initiative der Bunten Kurve verlegt wurde.

Zehn Leute zählte unser Grüppchen - jeder hatte ein Licht, eine ältere Dame auch Blümchen dabei und wir machten uns richtig breit auf dem Fußweg vor der Hausnummer 24. Nein, wir wollten nicht provozieren, aber Aufmerksamkeit erregen. Neugierig und verwundert waren denn auch die Blicke vieler vorbeieilender Passanten. Manch einer, der sonst achtlos an dieser Stelle vorübergeht, wird vielleicht das nächste Mal innehalten. Vielleicht wird er den Grund suchen, warum sich am 9. November dort Menschen versammelt und Kerzen entzündet haben. Vielleicht wird er über das kleine Messingschild stolpern, den Namen Georg Schwarz lesen und endlich wissen, warum diese Straße so heißt, wie sie heißt. Vielleicht...

Bild Aber auch wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllen sollte, war dieser Abend für uns ein Lichtblick, kamen wir doch mit Zeitzeugen ins Gespräch, denen wir sonst wohlmöglich nie begegnet und deren Erinnerungen uns für immer verborgen geblieben wären. So erzählte eine Leutzscherin sehr eindrucksvoll von der Nacht, die sie als Zwölfjährige miterleben musste. Als sie, eine Nichtjüdin, mit ihren Eltern aus Leipzig vor den entsetzlichen Bildern floh. Sie hatte sich noch einmal umgedreht und den roten Himmel über der Stadt ihr Lebtag nicht vergessen können. Und sie erzählte vom einstigen Nachbarn, dem Herrn Uhlmann, den sie immer recht zackig mit »Heil Hitler, Herr Uhlmann!« begrüßte und sich wunderte, dass dieser ein wenig abwesend mit »Guten Tag, mein Kind!« antwortete. Sie fragte ihren Vater und dieser riet ihr, dem Nachbarn eben auch einen »Guten Tag« zu wünschen. Als sie diesen Rat am nächsten Tag befolgte, erntete sie ein Lächeln und ein Bonbon vom Herrn Uhlmann. Kurze Zeit später war er mit der gesamten Familie verschwunden.

Eine Karte aus Amerika, die einige Zeit später kam, war der einzige Hinweis auf den Verbleib der Familie und einzig der Vater wusste mit der Botschaft etwas anzufangen. »Hat er es also geschafft«, waren seine Worte. Herr Uhlmann war Jude. Diese, so wie viele andere Geschichten, die bei den diesjährigen Mahnwachen allerorts erzählt wurden, machen die Aktion an den Stolpersteinen Leipzigs so wertvoll und können nur auf diese Weise lebendig gehalten werden. In der Hoffnung, dass diese Art der Erinnerungskultur im nächsten Jahr fortgeführt wird, haben wir den 9. November 2010 schon fest verplant. Dieser Abend und unser Gedenken gehören einem der vielen Opfer in dieser Stadt.

Klaudia Naceur / Uwe Walther, Grün-As
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