Preis der Leipziger Buchmesse
Belletristik
Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse 2012:
Anna Katharina Hahn: »Am schwarzen Berg«
Emil Bub, ein Lehrer kurz vor der Pensionierung, beobachtet von seinem Balkon aus, wie Peter, der Sohn seiner Nachbarn, in sein Elternhaus zurückkehrt.
Peter ist krank und verwahrlost, seine Freundin Mia ist mit den gemeinsamen Kindern verschwunden. Der Verlust hat ihn völlig aus der Bahn geworfen. Seit
den siebziger Jahren leben Emil und seine Frau Veronika, eine Bibliothekarin, am »Schwarzen Berg«
. Die kinderlosen Bubs bekommen
plötzlich einen Wahlverwandten, als Peter mit seinen Eltern Hajo und Carla ins Nebenhaus einzieht. Hajo Rau verschreibt sich ganz der Arbeit in seiner
Arztpraxis, seine Frau unterstützt ihn.
So wird besonders Emil zur prägenden Gestalt für den sensiblen Nachbarsjungen. Er zieht Peter tief hinein in
seinen Kosmos aus Dichtung und Leistungsverweigerung. Der Sommer in den einsamen Häusern am Rande des Stuttgarter Kessels vergeht mit den hilflosen
Versuchen der beiden älteren Paare, den Verzweifelten wieder aufzurichten. Auf der Suche nach Mia und den Kindern durchstreift Emil mit Peter die
überhitzte Großstadt, und Hajo entwirft eine Therapie. Aber was hilft das jetzt noch? Anna Katharina Hahn erzählt auf unnachahmliche Weise von
verzweifelter Liebe in all ihren Spielarten und davon, daß im entscheidenden Augenblick selbst die nächsten Menschen einander ein Rätsel bleiben.
[Buch bestellen]
Jens Sparschuh: »Im Kasten«
Ordnung und spätes Leid Jens Sparschuhs tragischer Held kommt völlig durcheinander. Hannes Felix ist seine Frau los: Monika kann sein sprödes Verhalten
nicht mehr ertragen und packt ihren Koffer leider völlig falsch. Sein Versuch, Ordnung in den wüsten Kofferinhalt zu bringen, gibt ihr den Rest und ihm die
Gelegenheit, seine Vision von der optimalen Ordnung des Lebens künftig ganz ungestört umzusetzen. Jens Sparschuh erzählt von einem obsessiven Charakter und
einem kollektiven Phänomen mit hohem Wiedererkennungseffekt: der Beschäftigung mit Strategien, das Leben und die Dinge effizient zu ordnen. Bei NOAH ist
sein Held an der richtigen Adresse. Die unausgelastete Firma für Neue Optimierte Auslagerungs- und Haushaltsordnungssysteme hat ihn mit großen Hoffnungen
eingestellt, aber seine Ideen zur Ankurbelung des Geschäfts nehmen immer groteskere und komischere Züge an.
Rückblenden in Felix Kindheit und seine
beruflichen Anfänge liefern Einblicke in die subtilen Mechanismen, die diese komplexe Psyche formten. Und das Vorhaben, die Geschäftsinteressen von IKEA
mit denen von NOAH zu verknüpfen, den Firmensitz von der städtischen Peripherie ins Zentrum zu verlegen und dafür endlich den Neubau des Berliner
Stadtschlosses zu stoppen, entwickelt eine unheimliche Sogwirkung. Die große Kunst von Jens Sparschuh liegt darin, mit Sprachwitz und Feingefühl einen
sympathischen und hochneurotischen Don Quichotte von heute zu entwerfen, dem der Leser bei seiner Suche nach einer neuen, perfekten Ordnung mit banger
Hoffnung und großem Vergnügen bis zum bitteren Ende folgt.
[Buch bestellen]
Wolfgang Herrndorf: »Sand«
»Er aß und trank, bürstete seine Kleider ab, leerte den Sand aus seinen Taschen und überprüfte noch einmal die Innentasche des Blazers. Er
wusch sich unter dem Tisch die Hände mit ein wenig Trinkwasser, goß den Rest über seine geplagten Füße und schaute die Straße entlang. Sandfarbene Kinder
spielten mit einem sandfarbenen Fußball zwischen sandfarbenen Hütten. Dreck und zerlumpte Gestalten, und ihm fiel ein, wie gefährlich es im Grunde war,
eine weiße, blonde, ortsunkundige Frau in einem Auto hierherzubestellen.«
Während in München Palästinenser des »Schwarzen
September«
das Olympische Dorf überfallen, geschehen in der Sahara mysteriöse Dinge. In einer Hippie-Kommune werden vier Menschen ermordet, ein
Geldkoffer verschwindet, und ein unterbelichteter Kommissar versucht sich an der Aufklärung des Falles. Ein verwirrter Atomspion, eine platinblonde
Amerikanerin, ein Mann ohne Gedächtnis - Nordafrika 1972. Ein mitreißender Agententhriller - und noch viel mehr: ein literarisches Abenteuer, ein
außerordentlicher Roman.
[Buch bestellen]
Sherko Fatah: »Ein weißes Land«
Der junge Araber Anwar wächst im Bagdad der 30er Jahre zwischen allen Stühlen auf. Er kommt aus einfachen Verhältnissen, aber die Tagelöhner mit ihrer
schweren Arbeit sind ihm fremd - genauso fremd wie die verlockenden Paläste der Reichen. Er träumt davon, sein Glück zu machen, und die Cafés mit den
unverschleierten Frauen und dem Zigarettenrauch ziehen ihn unwiderstehlich an. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, scheint Anwars Traum von den
»schönen Häusern«
und von Reisen in ferne Länder in Erfüllung zu gehen. Im Gefolge des Großmuftis von Jerusalem, eines Bundesgenossen
der Nationalsozialisten, kommt er 1941 nach Berlin...
Mit epischer Wucht entwirft Sherko Fatah ein atemraubendes geschichtliches Panorama. Anwar gerät
ins Zentrum der neuen Macht und verliert sich im Labyrinth der Geschichte und im Räderwerk des Krieges. Er wird überleben, aber am Ende steht er vor den
Trümmern seines Traumes - und eines halben Jahrhunderts.
[Buch bestellen]
Thomas von Steinaecker: »Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen«
Risiken abzusichern ist ihr Geschäft. Doch sie verstrickt sich in Unsicherheiten, trügerische Phantasien und Ängste. Brillant, packend und raffiniert
erzählt Thomas von Steinaeckers großer Zeitroman von unserer Welt, in der alle Sicherheiten endgültig abhanden gekommen sind und unsere Sehnsüchte in die
Irre führen. Ein schlau-präzises und gespenstisch-surreales Porträt unserer Gegenwart. Renate Meißner wird versetzt, befördert und gewinnt für ihre
Versicherungsgesellschaft einen großen Auftrag. Doch eine interne Evaluierung ergibt, dass in ihrer Abteilung Stellen gestrichen werden. Vielleicht war die
Versetzung ein abgekarterter Spiel, um sie loszuwerden? Der große Auftrag ein Test?
Sie reist nach Russland, um die Grande Dame hinter dem Projekt
kennenzulernen, die Herrin über ein generationenaltes Vergnügungspark-Imperium. Die Greisin scheint erstaunliche Ähnlichkeiten mit Renates verschwundener
Großmutter zu haben. In einer Welt futuristischer Jahrmarktsattraktionen verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Phantasie. Welcher Wirklichkeit ist
noch zu trauen? Thomas von Steinaeckers Roman entwirft ein großes Panorama, das mit Fotos, Zeichnungen und Tabellen die Möglichkeiten realistischen
Erzählens auslotet und ein phantastisches Paranoia-Spiel in Gang setzt.
[Buch bestellen]