Grün-As
Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Zwischen Handy und Schiefertafel

Beim Literatur Treff haben sich Generationen was zu erzählen

Nun gut, »Kohlenklau« sagt den »fernbeheizten« Grünauer Kids der KiTa Häschengrube nix. Aber bei »Schulanfang« sind die kleinen Lauscher aufgestellt und es wird muxmäuschenstill im Raum.

Und dann staunen sie nicht schlecht, als Autorin Ute R. Scholze in ihrer ersten Geschichte des Nachmittags von »Lehrerpult« spricht und von »Rohrstock«. Sie erinnert sich eben an ihre Leipziger Zeit in den 50er Jahren. Die Gäste des Literatur Treff Grünau nicken vor sich hin. Die künftigen Erst-Leser sind sichtlich erleichtert, als Beate Bühner ihnen versichert, dass diese Zeiten vorbei seien und sie in ihrer neuen Schule bestimmt eine nette freundliche Lehrerin erwartet.

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Ute R. Scholze im Literatur-Treff

Als sie dann auch noch den Test bestehen, ob sie groß genug sind, eine »Zuckertüte« zu tragen, sind sie zuversichtlich. Das wird ein toller neuer Anfang, mit Sport, Zeichnen, Lesen lernen und Handy statt »Schiefertafel«. Als die einen sich auf den Heimweg machen, setzt Ute R. Scholze ihre Lesung vor den 34 fast gleichalten Grünauer Gästen fort.

Und sie haben sie längst in ihr Herz geschlossen, die zarte Frau mit der bescheidenen Art, ihre Erinnerungen vorzutragen. Bei »Eismann«»Kochkiste« und »Poesiealbum« nicken sie zustimmend und haben gleich eine Erinnerung parat, die das eben Gelesene noch anschaulicher macht. Wie kleine Mädchen erinnern sie sich an »Glitzies« mit dreifachem Tauschwert. »Ich hab' meine noch!«, versichert Sigrid.

Oder an Senf und Essig in abzufüllenden Flaschen. »Heute nennt man das neudeutsch Öko!«, spöttelt Klaus. Selbst ich hab noch in den 60er Jahren in Gohlis lose Milch in der Blechkanne gekauft und als Vorschulkind behutsam nach Hause getragen. Ein richtiger Schlag Quark matschte in Seidenpapier im Einkaufskorb vor sich hin. Frische Kirschen gab's in selbst gedrehten Zeitungstüten.

»Das beste war die Walzerbahn auf der Kleinmesse«, kommt die nächste Erinnerung hervor. »Wegen der tollen Westmusik!«, ergänzen gleich Einige. »Und dann mit der Bimmel heim!«»Für 'nen Groschen!« Oder zu Fuß. Den wertvollen Groschen Taschengeld aufgespart für ein Tütchen Brausepulver. Unvergessene prickelnde klebrige Kinderfreude mit regenbogenbuntem Geschmack...

»Kohlenklau und Pferdeäpfel« – Kontakt zu Ute R. Scholze über: uresch2@gmx.de.

Richtigstellung: Nachdem sich einige aufmerksame Leser mir gegenüber recht kritisch dazu äußerten, dass es in dieser Zeit ja keinen Rohrstock in den Schulen mehr gab, möchte ich Folgendes richtigstellen:
Ich habe weder in meinem Buch noch bei der Lesung davon gesprochen, dass ich in meiner Schulzeit mit dem Rohrstock bestraft wurde. Denn die Leser haben Recht; diesen gab es zu meiner Zeit, in den 50-er Jahren nicht mehr. Die Prügelstrafe wurde in der DDR 1949 abgeschafft.
Es wurde den Vorschulkindern allerdings das Foto eines grimmig dreinschauenden Lehrers gezeigt, der einen Rohrstock in den Händen hielt. Doch die Verantwortung dafür liegt nicht bei mir.
Ute R. Scholze

Ankündigung

»Ach, wenn er nur kein Kaiser wäre...« Die frisch verliebte Sissi verzweifelt an ihrer Liebe fast ebenso wie Jahre später die junge Romy an ihrer Rolle über die junge Kaiserin. Gibt es ein Ankommen in einem fremden Leben ohne alle eigenen Wurzeln aufzugeben? Die gebürtige Ungarin Marta Weise sucht nach Antworten. – Lesung des Literatur Treff Grünau am Mittwoch, , , in der Begegnungsstätte der AWO, Stuttgarter Allee 18. Eintritt frei.

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