»Die Mädels bewunderten uns...«
Teil 2 des »Grün-As«
-Portraits über Prof. Dr. Hans Lauter
Mit Funktionen im Sportverband und beim KJDV betraut, kommt der 16-jährige Hans des Öfteren in Gewissenskonflikte. Einmal
muss er sich gar den Vorwurf gefallen lassen, mit seiner Volkstanzgruppe auf der Bühne rumzuhüpfen, während seine Genossen
auf die Barrikaden gehen. Die Politik kommt trotz seines sportlichen Engagements nicht zu kurz. Darf sie auch gar nicht,
denn die Verhältnisse ab 1930 beginnen sich zuzuspitzen. »Wir unterhielten gute Beziehungen zu sozial engagierten
Jugendgruppen, besuchten uns gegenseitig bei Gruppenabenden und pflegten viele persönliche Kontakte.«
Als Diskussionsredner
zum Thema Jugendarbeitslosigkeit tritt der überzeugte Jung-Kommunist gar bei einer Veranstaltung der Hitlerjugend auf und
ärgert sich bis heute darüber.
»Das war ein bisschen naiv«
, meint er selbstkritisch. »Ich glaubte damals noch, dass man die
Anwesenden von unserer Sache überzeugen kann. Die Vertreter der SPD beispielsweise lehnten es ab, sich an der
Diskussionsrunde zu beteiligen.«
War Hans Lauter bis zu diesem Zeitpunkt unseres Gespräches eher in schönen Erinnerungen
vertieft, wirkt er nun sehr nachdenklich als ich ihn frage, ob man mehr hätte tun sollen, damals vor 1933. »Vielleicht«
,
räumt er nach langem Schweigen ein, »hätte man sich viel stärker auf die Gemeinsamkeiten der linken und humanistischen
Gruppierungen besinnen sollen, anstatt die Unterschiede zu suchen.«
Als sich die Machtverhältnisse zugunsten der NSDAP zu entwickeln scheinen, bereiten sich die Genossen um Lauter auf die
Illegalität vor. Fünfer-Gruppen werden gebildet - im Sommer trifft man sich ganz unverdächtig im Schwimmbad. Die Taktik
geht auf. Flugblätter mit systemkritischen Inhalten werden erarbeitet. Gedruckt wird in Böhmen - Hans Lauter - 18-jährig -
gilt als Schmuggelspezialist. »Das schwierigste an der Arbeit war, gute Anknüpfungspunkte zu finden. So machten wir
beispielsweise die Kriegsvorbereitungen in unseren Schriften publik. Sehr wirksam war das allerdings nicht«
, gibt mein
Gegenüber ehrlich zu. Einen Coup landen sie hingegen mit einem Flugblatt, das sich gegen Kontrollmaßnahmen in
Textilbetrieben richtet. »Wir legten die Papierstapel einfach aufs Fließband einer Fabrik. Das ging über drei Etagen und
die Blätter verteilten sich von ganz allein.«
Der Triumph von einst, steht dem Aktivisten noch heute ins Gesicht geschrieben - unangepasst, ein wenig frech, mutig. Genau
das zeichnet ihn aus und genau darum wird er als sächsischer Vertreter 1934 nach Moskau delegiert - für die Auswertung
illegaler Tätigkeiten ist er mit seiner guten Erfahrung im antifaschistischen Kampf geradezu prädestiniert dafür. Mit einem
falschen Pass, der ihn als Mathematikstudent ausweist, macht sich der 19-Jährige aufgeregt und in hoher Erwartung auf den
Weg in die Sowjetunion. Hätte man ihn damals mathematisch auf die Probe gestellt, wäre seine Tarnung aufgeflogen. Denn der
angebliche Student verfügt lediglich über rudimentäres Wissen auf diesem Gebiet. Alles geht gut. Drei Wochen Moskau liegen
vor ihm und er trifft auf viele alte Bekannte aus Chemnitz. Die Freude am Wiedersehen birgt jedoch auch ein Risiko:
»Wir hatten alle Decknamen - meiner war Karl. Wir mussten sehr aufpassen, dass wir uns nicht mit richtigem Namen
ansprechen.«
Zurück in Deutschland muss Lauter feststellen, dass viele seiner Genossen verhaftet wurden und er steckbrieflich gesucht wird. Ihm gelingt es unter falschem Namen nach Leipzig zu gelangen. Sein neues Zuhause werden die Meyerschen Häuser. Dort lebt er in der Illegalität von monatlich 100 Mark, mit der die Organisation ihn unterstützt. Trotz der allgegenwärtigen Gefahr, beginnt Hans Lauter den kommunistischen Jugendverband wieder aufzubauen und ein Jahr nach seinem ersten Moskau- Aufenthalt, darf er erneut in die sowjetische Metropole reisen - zum 7.Weltkongress. Doch so weit, sollte es nicht mehr kommen...
Klaudia Naceur>