»Die Anfängerin« im Cineplex
Filmvorstellung mit Prominenten
Die kleine, neue Maus beim Eiskunstlauf ist 58 und zunächst keine Sympathieträgerin. Sie heißt Annebärbel. Ihr Mann ist weg, die Mutter eine Zumutung, da braucht die kühle Ärztin etwas, das wieder Licht ins Leben bringt, ein Hobby, eine Beschäftigung, vor allem Bestätigung.
Alexandra Sells Film »Die Anfängerin« wurde am letzten Januarmontag im Cineplex vorgestellt. Annekathrin Bürger und Christine Stüber-Errath sorgten bereits am Autogrammtisch im Foyer für fröhliche Wortwechsel und Gedränge. Dementsprechend voll war dann auch der Saal.
»Die Anfängerin« wirkt realistisch, echt, fast dokumentarisch, wie ein französischer Beziehungsfilm oder einer von Andreas Dresen (»Halbe Treppe«, »Sommer vorm Balkon«) und folgt einem Mutter-Tochter-Konflikt in ziemlich nüchterner Eiskunstlauf-Umgebung.
Ärztin und Kettenraucherin Annebärbel (toll gespielt von Ulrike Krumbiegel) überzeugt erst einmal nicht mit Charme, lässt im Laufe der Geschichte neben Stärke und Durchsetzungsvermögen aber auch Gefühl und vor allem Mitgefühl blicken. So steht sie der jungen Leistungssportlerin Jolina (Maria Rogozina) mal ruppig und mal etwas liebevoller bei – das Thema »Ersatztochter« wird angetippt, jedoch angenehmerweise sehr vorsichtig.
Auch Jolina hilft der »Anfängerin« bei deren Versuchen, auf dem Eis eine neue Erfüllung zu finden. Als kleines Kind war Annebärbel in dieser Disziplin schon einmal ganz gut gewesen, bis ihre Eiskönigin von einer Mutter jegliche Illusionen zunichte machte. Die Mutter, ebenfalls Ärztin, zog Ersatztochter Christine vor.
Christine? Ja, Christine Stüber-Errath, die Eiskunstlauf-Weltmeisterin von 1974. Und die taucht im Film als genau sie selbst auf, für die Hobbyläufer-Gala in der Halle engagiert, in der Annebärbel gerade trainiert und Schritt für Schritt besser auf den Kufen zurechtkommt. Nach dem umjubelten Auftritt der einstigen Spitzensportlerin muss die 58-jährige Newcomerin aufs Eis – und schafft es! Die Mutter hingegen, die im Publikum steht, schafft es nicht, über ihren Schatten zu springen. Und das Talent Jolina rutscht aus beziehungsweise ab, geht in die zweite Mannschaft.
Ein Drama? Nein, überhaupt kein Problem! Wenn die Leute dort Herz haben – und das haben sie! –, ist es doch viel besser so. Als das Licht im Saal wieder scheint, stehen Annekathrin Bürger und Christine Stüber-Errath für Fragen bereit und erzählen jede Menge Interessantes über sich und den Film. So habe die Regisseurin und Drehbuchautorin Alexandra Sell eine Rolle für Annekathrin Bürger schreiben wollen. Es dauerte drei Jahre, dann kam das Drehbuch und die verdiente Schauspielerin des Volkes hatte ihre große Freude daran.
Annekathrin Bürger sprach unter anderem auch ihre Leipziger Wurzeln an sowie ihre Zeit als Tatort-Friederike an der Seite von Peter Sodann in einem Waschsalon in der Gottschedstraße. Christine Stüber-Errath verteidigte die für Unwohlsein sorgende Strenge der Trainerin im Film, sagte, dass sie den Muskelfaserriss aus der Handlung als junges Mädchen tatsächlich erlitten habe und zunächst nicht darauf erpicht gewesen sei, an der »Anfängerin« mitzuwirken. Nach dem Sell-Satz »Christine, dem Eislaufen wohnt ein Zauber inne« stellte sie sich jedoch mit Haut, Haar und all ihren Archivmaterialien zur Verfügung. Mit der Zeit wurde sie gar zur glühendsten Botschafterin des gelungenen Gegenwartsstreifens.
»Man ist nie zu alt, um seine Träume zu leben, man kann alles schaffen«, ruft sie den Zuschauern zu sowie: »Wir sollten alle viel mehr zusammenhalten.« Die langjährige Moderatorin der Fernsehreihe »Außenseiter – Spitzenreiter« gestand außerdem, dass sie ihre Schlittschuhe für 20 Jahre »völlig an den Nagel gehängt« hatte und darum vier Jahre lang für den Film trainieren musste. »Das ist nicht wie beim Fahrradfahren ...«
Und noch etwas: Als junges Mädchen sei sie in den aus Leipzig stammenden Sänger und Schauspieler Frank Schöbel verliebt gewesen. Der wiederum schenkte dem Film zwei seiner Titel, unter anderem den großen Hit »Da war Gold in Deinen Augen«, zu dem die Hauptdarstellerin Ulrike Krumbiegel ihre Kür läuft – ungedoubelt!
Das von Cineplex-Mitarbeiter Heiko Fischer souverän und natürlich moderierte Nachgespräch stieß auf großes Interesse. Eine letzte Frage galt dem ungewöhnlichen Vornamen Annebärbel. Den gebe es wirklich, wussten Annekathrin Bürger und Christine Stüber-Errath zu berichten, sogar eine Ärztin dieses Namens. Ein guter Film, ein schöner Abend. Mal sehen, was das Kino in der Ludwigsburger Straße als nächstes zu bieten hat.
Text und Fotos: Bert Hähne