Der Musiker Christian Haase
ist in Grünau aufgewachsen
und zur Schule gegangen, er
hat seine Freizeit in der
Völkerfreundschaft verbracht
und dort mit seiner ersten
Band geprobt. Heute lebt er
in Berlin, kehrt aber regelmäßig
in den Leipziger Westen
zurück. Am 29. Juni gibt er
ein Konzert im Robert-Koch-
Park. «Grün-As« traf ihn für
ein Gespräch im alten Proberaum.
Grün-As
Von wann bis wann hast du in
Grünau gewohnt?
Christian Haase
1981 sind meine Eltern mit mir
aus ihrer Schönefelder Ofenheizungsbude
nach Grünau gezogen.
Da war ich ein Dreivierteljahr alt
und es hat mich bis zu meinem
Auszug und Umzug nach Kleinzschocher mit Beginn meines Studiums
2001 hier gehalten.
Grün-As
Auf welche Schule bist du gegangen?
Christian Haase
Dankbarerweise immer auf dieselbe,
zumindest vom Gebäude
her. Zunächst war das die 88. Polytechnische Oberschule »Fritz Selbmann«, die ich von der erste bis
zur vierten Klasse besuchte. In der
fünften gab es dann einen seltsamen Übergang, bis schließlich
das Georg-Christoph-Lichtenberg-Gymnasium, aus einem Zusammenschluss
des Doppelschulhauses
der 87. und 88. POS heraus,
meine Schule wurde, bis zu meinem
Abitur 1999.
Grün-As
Später wurde das Lichtenberg mit
dem Klinger-Gymnasium
zusammengelegt. Nicht zu deiner
Freude…
Christian Haase
Ich war bereits vier Jahre aus der
Schule raus, als es einen sehr vernünftigen
Vorschlag zur Änderung
der Schulnetzplanung gab. Dieser
sah vor, das Klinger-Gymnasium,
welches zwar eine Historie und
den zugegeben besseren Chor
hatte, zu Gunsten des Standortes
Lichtenberg-Gymnasium langfristig
zu schließen. Wie erwähnt, gab es
hier ein Doppelschulhaus, zentral
gelegen in Grünau-Mitte auf der
Hauptachse Stuttgarter Allee zwischen
Ratzel- und Lützner Straße.
Das Haus hätte locker alle Schüler
aufnehmen können. Die unmittelbare
Nachbarschaft zum Jugendclubhaus
Völkerfreundschaft hätte
den Kreativen, gerade aus dem
musischen Profil des Klingers in
ihrer Freizeit einen Ort zum Entfalten
gegeben, und vielleicht hätte
auch der Konsum nicht schließen
müssen. Die Kaufkraft von ein paar
hundert Schülern sollte man nicht
unterschätzen. Auch das Allee-
Center hätte davon profitiert,
ebenso wie Schüler anderer Stadtteile,
denn die perfekte Anbindung
mit den Straßenbahnlinien in der
Ratzel- und Lützner Straße sowie
der S-Bahn und diversen Buslinien
war ja gegeben. Wie auch immer.
Es gab massive Proteste und ein
Politikum wurde heraufbeschworen.
Letztlich entschied man sich
für einen Kompromiss: Beide
Schulhäuser blieben erhalten und
liefen statt unter dem Begriff Ver -
einigtes Gymnasium Grünau nun
unter Haus Lichtenberg und Haus
Klinger. Ein Irrsinn … Lehrer wechselten
täglich die Häuser, manchmal
auch die Schüler. 2004 wurde
das Lichtenberg-Gymnasium formal
eingemottet und hieß dann
Klinger-Gymnasium.
Mit dem Schuljahresbeginn im
Sommer 2007 wurde das Haus geschlossen.
Unterricht findet seitdem
nur noch in der Miltitzer Allee statt
und das Doppelschulhaus hier vorn
zerfällt zur Ruine. Das nun allerdings
wirklich nicht zu meiner Freude.
Grün-As
Die gerade erwähnte Völkerfreundschaft
war dein zweites
Zuhause, richtig?
Christian Haase
Als Kind bin ich am Wochenende
dort ins Kino gegangen. Für einen
Fuffziger gab es dann »Winnetou
«, zum Beispiel, oder »Fury«.
Im Anschluss sind wir auf dem damaligen
Brachland, auf dem jetzt
die Grünauer Welle steht, um die
Wette geritten. Immer abwechselnd
auf den Schultern des anderen.
Ich muss zehn gewesen sein,
als ich die Völkerfreundschaft als
Freizeittreff entdeckte und dort jeden
Tag zum Tischtennis gewesen
bin. Ich glaube, ich war mal richtig
gut darin. Und dann gründete ich
mit zwölf Jahren meine erste Band.
In den Katakomben der Völle
probten wir in wechselnden Besetzungen
bis 2002. Ich blieb meinem
Jugendclub also noch ein ganzes
Jahr nach meinem Umzug treu.
Grün-As
Stehst du mit den Leuten aus
deiner ersten Band noch in
Kontakt?
Christian Haase
Leider nein. Aber das ist ja nun
auch schon 21 Jahre her, dass wir
die letzte Probe hatten. Mein Gott,
wo ist die Zeit geblieben? Lediglich
mit Jan Masanetz, der einen erfolgreichen
Weg als Komponist zeitgenössischer
Musik gegangen ist, habe
ich vor drei Jahren einen langen
Abend in der Innenstadt gehabt.
Ich habe versucht, ihn für ein Projekt
wieder auf die Bühne zu
bekommen, an meiner Seite als
Gitarrist. Das hat zwar nicht geklappt,
aber ich muss immer noch
schmunzeln, wenn ich daran denke,
wie wir rotztütenblau ein Taxi
nahmen und nach Grünau gefahren
sind, nur um hier eine Weile
schweigend und rauchend nebeneinander
her zu gehen und den
Spirit zu fühlen, der uns damals so
kreativ hat werden lassen.
Grün-As
Auch wenn du seit einiger Zeit
in Berlin wohnst, zieht es dich
regelmäßig in den Stadtteil
deiner Kindheit und Jugend
zurück. Warum?
Christian Haase
Der Täter kehrt doch immer an
den Tatort zurück, oder? Meine
Eltern und meine Schwester mit
ihren Kindern wohnen in Grünau –
allein das ist Grund genug. Aber ich
habe auch immer dieses Zuhause-
Gefühl, wenn ich mich da rumtreibe.
Ich habe hier Laufen gelernt,
Lesen, Schreiben und Singen, meine
erste Liebe getroffen und später
auch meine zukünftige Frau. Ich
habe Grünau in der Mitte der 90er
zusammen mit den ganzen anderen
Hippies, Punkern und Kreativen
gegen den damals wütenden
Rechtsradikalismus im Viertel verteidigt,
einige Blessuren und sogar
Rippenbrüche davongetragen und
die Schule geschwänzt, um in der
Völle ein paar halbe Stunden eher
proben zu können. Es bricht mir das
Herz, sehen zu müssen, dass von
ehemals vier ausgelasteten Proberäumen
nur noch einer existiert, der
nicht einmal genutzt wird. Übrigens
auch eine Folge der verkorksten
Schulpolitik. Doch ich schweife ab
… Ich bin gerne in Grünau.
Grün-As
Bald wirst du hier ein Konzert
geben, im Robert-Koch-Park.
Seid ihr früher auch in Grünau
aufgetreten?
Christian Haase
Auf diese Show freue ich mich
besonders. Der Robert-Koch-Park
war der von mir am nächsten gelegene,
ich habe da viel Zeit verbracht.
Direkt vor der alten Sack-
Villa aufzutreten, ist schon toll. Am
29. Juni, bestes Sommerwetter
vorausgesetzt, ansonsten eben in
den heiligen Hallen. Braucht diese
Villa eigentlich einen Minnesänger
zum Dauerbewohnen? Dann würde
ich glatt weg wieder zurück
nach Leipzig und somit nach Grünau
ziehen. Früher spielten wir
zum Schönauer Parkfest, in der
Völkerfreundschaft, in diversen
Turnhallen, im KOMM-Haus, und
ganz oft wurde unsere Schultreppe
zur Bühne.
Grün-As
Und am 11. Mai spielst du in
der Moritzbastei, die ja von
Grünau ganz einfach zu erreichen
ist...
Christian Haase
Danke, dass ich das erwähnen
darf. Mein neues Album »Die Korrektur« feiert an diesem Tag seine
offizielle Veröffentlichung. Es würde
mich sehr freuen, wenn ich an diesem
Tag auch einige Grünauer dort
treffen würde.