Editorial
Leuchtturmprojekt
Liebe Leserinnen und Leser, es gibt in Grünau Vorgänge, die eine gefühlte Ewigkeit dauern. Der Bebauungsplan Kulkwitzer See ist so einer zum Beispiel. Seit elf Jahren ist der nun schon in der Pipeline und noch immer nicht verabschiedet. Auf genau zehn Jahre Entstehungsgeschichte können die Stadtplaner auch im Fall des Bildungs- und Bürgerzentrum zurück schauen. Zehn Jahre Hickhack um ein eigentlich sinnvolles und für den Stadtteil auch erstrebenswertes Vorhaben. Der Verwaltung riss nun der Geduldsfaden. Sie wollte Planungssicherheit und forderte einen Grundsatzbeschluss des Stadtrates, der im April festlegen sollte, ob das »Leuchtturmprojekt« überhaupt gebaut wird. Und wenn ja, wo.
Eine Vorzugsvariante haben die Planer ja bereits: Die Bibo im Zentrum Grünaus. Doch mit Bekanntwerden dieser Pläne sowie des angestrebten Verkaufs der Objekte, die im Zuge der Zusammenlegung aller drei Bibliotheken künftig kommunal nicht mehr genutzt würden, drohte neues Ungemach. Nicht nur, dass die alte Diskussion um die Schließung der Bibos im WK 7 und 8 wieder hochkochte. Kritik kam auch von Anwohnern in Grünau-Mitte, die ein Verkehrs- und Parkchaos wittern. In der Tat gibt es noch kein Park- und Zuwegungs-Konzept für den favorisierten Standort. An diesem Punkt kontert die Stadt mit dem Argument, dass es sich schließlich um einen Grundsatzbeschluss handelt. Wenn die Entscheidung gefällt sei, beginnen die eigentlichen Planungen und dann wird man sich auch mit dem Verkehr beschäftigen.
Viel schwerwiegender sind die Vorwürfe der langjährigen Mieter, die ihre Unternehmen in den städtischen Gebäuden im WK 7 und 4 haben und nun von Umbau und / oder Verkauf betroffen sind. Da wäre die Firma »La Belle«, die an beiden Standorten 24 Mitarbeiter beschäftigt und neben Friseur auch Perückenmanufaktur, Kosmetikstudio und Podologie ist. Im Zentrum fürchtet der Zahnarzt Dr. Karsten Kilian um seine eigene und die Existenz seiner Angestellten. Weder mit La Belle-Geschäftsführer Thomas Ruhland, noch mit dem Zahnmediziner wurde – und das ist sicher das Unverständlichste an der ganzen Angelegenheit – im Vorfeld gesprochen. Demzufolge waren Ärger und Redebedarf groß, als der Stadtbezirksbeirat West den Beschluss abnicken sollte.
Als städtischer Vertreter war zu diesem Termin ASW-Abteilungsleiter Stefan Geiss geladen und der durfte sich einiges anhören, nachdem die Beiräte während der Sitzung von den Sorgen der beiden Unternehmer erfahren hatten. »Ganz schwache Kür, Herr Geiss«, polterte Frank Uhlemann. Marcus Mündlein verwies sarkastisch auf das von der Verwaltung ausgegebene Motto »Jahr der Demokratie« und fragte, wie das mit diesem Vorgehen vereinbar wäre. Während Geiss nicht müde wurde, sich zu entschuldigen, wirkten die Beiräte zunehmend verunsichert, wie sie die Vorlage votieren sollen. Schließlich lehnten sie die Vorlage nach über einer Stunde Diskussion mehrheitlich ab.
Ihre Kollegen vom Stadtrat hingegen stimmten eineinhalb Wochen später dem Grundsatzbeschluss zu. Allerdings erst nachdem gewisse politische Forderungen in Form von Änderungsanträgen gestellt und gebilligt wurden. So beharrte die Linke beispielsweise darauf, dass im weiteren Planungsverlauf die Interessen der Mieter berücksichtigt werden und die Objekte im WK 7 und 8 nicht verkauft werden dürfen. Beide Anträge wurden angenommen, der Beschluss gefasst. Grünau bekommt ein Bildungs- und Bürgerzentrum.
Ihre Klaudia Naceur