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Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Vergessen im Harz

Drei Fragen an Enno Seifried

In der Villa Sack im Robert-Koch-Park wird am , ab , Enno Seifrieds Dokumentarfilm »Vergessen im Harz, Teil 3« gezeigt. Darin sehen wir verlassene Hotels, Ferienheime und Betriebe, menschenleere Plätze, wie es sie bis vor wenigen Jahren auch in unserer Stadt gegeben hat. Der Leipziger Filmemacher beantwortete drei Fragen.

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Ist Leipzig in Sachen Lost Places abgegrast oder wie und warum hat es Dich in den Harz verschlagen?
Enno Seifried
Als wir an dem dritten Teil der Leipzig-Reihe gearbeitet haben, war sich das Filmteam einig, dass wir nicht mehr als drei Teile machen wollen. Eine Trilogie war in unseren Augen das perfekte Maß. Allerdings war Leipzig da noch lange nicht abgegrast. Wahrscheinlich hätten wir noch eine Trilogie dranhängen können. Da wir damals viel zu viel Material für nur einen Film hatten, haben wir auf die dritte DVD sogar zwei 90minütige Filme gepackt und eine Doppel-DVD rausgebracht. Und auch wenn damit immer noch nicht alle Lost Place Storys aus Leipzig erzählt waren, wollten wir weiterziehen, in eine andere Region. Der Harz war dabei eher eine Zufallsentscheidung. Als ich auf einer Wandertour im Harz unterwegs war, entdeckte ich so viele Lost Places, dass schnell klar war, dass die nächste Trilogie über den Harz sein wird.
 
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Welche Gemeinsamkeiten bezüglich vergessener Örtlichkeiten gibt es zwischen Leipzig und dem Harz und welche Unterschiede?
Enno Seifried
Es gibt auf jeden Fall Unterschiede. In einer Großstadt wie Leipzig sind die meisten Locations schon sehr zerstört und von Vandalismus und Verfall geprägt. Im Harz hingegen fanden wir oft verlassene Orte, die den Eindruck erweckten, dass alles von jetzt auf gleich stehen und liegen geblieben ist und die Orte seit 20 Jahren niemand mehr betreten hat. In verlassenen Hotels steht noch das komplette Inventar, in verlassene Bergwerken funktionieren aufgrund von Akkubetrieb noch die Maschinen und in manchen Fabriken und LPGs hat man das Gefühl, als könnte man nach einer Großreinigung sofort die Arbeit wieder aufnehmen. Auch die Dreharbeiten an sich waren sehr unterschiedlich. Während wir bei der Arbeit an der Leipzig-Reihe am Abend wieder nach Hause fuhren, verbrachten wir die Nächte im Harz bei gutem Wetter im Camper am See oder am Rande eines Feldes. Die Mischung aus Naturerlebnis und Lost-Place-Abenteuer im Harz ist einfach genial.
 
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Reizt es Dich, die ganzen wiedererblühten Leipziger Lost Places zu besuchen und die Situation heute mit der von vor ungefähr fünf bis sieben Jahren in einem Film zu vergleichen?
Enno Seifried
Tatsächlich ist das immer wieder Thema, denn viele Orte, die wir in der Leipzig-Trilogie beleuchtet haben, wurden bereits saniert oder dem Erdboden gleich gemacht und sind heute kaum wiederzuerkennen. In den letzten Jahren gab es in Leipzig ja einen regelrechten Boom, und viele der ehemaligen Fabriken wurden zu Lofts und Luxuswohnungen ausgebaut. Der Reiz, den die Orte auf mich einst ausgeübt haben, und die Geschichten, die ich darüber einfangen wollte, sind in meinen Filmen festgehalten. Ein Vergleich in Form eines Dokumentarfilms reizt mich da eher weniger. Ich freue mich, wenn einige der verlassenen Gelände neu genutzt werden und in neuem Glanz erstrahlen, aber irgendwie hoffe ich auch, dass Leipzig immer ein paar schmutzige Ecken behält, um den gewissen Charme nicht zu verlieren. Wenn jede Fabrik saniert und zum Loft umgebaut, jeder Bordstein frei von Unkraut, aus jedem verlassenem Hinterhof ein Parkplatz geworden ist und es aus Mangel an vermoderten Fabrikkellern keine illegalen Technopartys mehr in Leipzig gibt, ist Leipzig nicht mehr das, warum es einst zum Hypezig wurde, und wäre um einiges langweiliger.
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