Vielseitige Sabine Finger
Tiere schnitzen, Handtücher falten und kochen mit Musical-Stars
Das Mütterzentrum in der Potschkaustraße, sechs Frauen sitzen gespannt um einen Tisch. In den kommenden zwei Stunden wollen sie fünf Tiere aus Handtüchern falten, Schmetterling, Hund, Frosch, Hase und Teddybär. Vor ihnen steht Sabine Finger, die den Ein-Tages-Volkshochschulkurs »Handtuch-Origami« leitet. Sie hat Hilfsmittel wie Pfeifenreiniger, Schnipsgummi oder Kulleraugen mitgebracht und bereitet die Teilnehmerinnen mit auflockernden Worten und Finger-Yoga-Erwärmungsübungen auf die bevorstehende »Friemelarbeit« vor. Kurz darauf werden die ersten Handtücher und Waschlappen zur Salami gerollt und in tierische Formen gebracht.
Stichwort Salami: Sabine Finger ist gelernte Fleischfachverkäuferin und hat zunächst in verschiedenen Filialen der HO gearbeitet, von der Ernst-Thälmann- bis zur Marschnerstraße. Später stand sie bei Fleischer Opitz im Allee-Center hinter der Theke und war dort als Kaltmamsell auch für den Party-Service zuständig. Damals schon rollte die Grünauerin Wurstscheiben, schnitt Tomaten zu dekorativen Röschen und Körbchen und stellte hübsch dekorierte Platten zusammen. »Eigentlich bin ich die geborene Verkäuferin«, sagt sie, »ich verspüre einen Drang, mich mit Leuten zu unterhalten.«
Ein Kilo Möhren und ein Messer
Dennoch folgten irgendwann der komplette Bruch mit dem Einzelhandel sowie ein Studium der Berufspädagogik. Nebenbei gab Sabine Finger in den Volkshochschulen Leipzig und Leipziger Land ihr Wissen weiter, sie richtete Gemüseschnitzkurse ein. »Ich kreuzte einfach mit einem Kilo Möhren und einem Messer auf«, erinnert sie sich. Der zuständige Mitarbeiter sah sich das Treiben an und stellte die Vermutung auf: »Wer Gemüse schnitzen kann, kann auch kochen, oder?«
Also folgten Veranstaltungen mit Titeln wie »Schau mir in die Töpfe, Kleines!« oder »Reich mir das Nudelholz, Liebling!«.
Es gibt sogar eine Show, die man auf YouTube sehen kann: »Koch den Star«, aufgezeichnet in der Markkleeberger Lehrküche der Volkshochschule Leipziger Land. Dort bereiten Musical-Stars ihre Lieblingsgerichte zu, während Sabine Finger und Mitstreiterin Sylvia Baierl assistieren, kommentieren und amüsieren, im Augenblick noch ohne Studiopublikum. »Das muss aber nicht so bleiben!«, sagt die lustige Frau und bedauert, dass in Grünau für solche Formate leider die großen Küchen fehlen.
Der vierblättrige Blütenschnitt
Deshalb schnitzt oder faltet sie hier eher im kleineren Kreis, zum Beispiel im ziemlich zentral gelegenen Mütterzentrum. Obst und Gemüse werden hier zu Tieren, Blumen, Rennautos oder Schneemännern. In ihren Kursen bringt sie Interessierten den vierblättrigen Blütenschnitt bei, spricht vom Möhrenkrokus und der Lauchlilie, verwandelt Kürbisse in Löwen und Auberginen in Pinguine, Blumenkohl in Schafe, Kartoffeln in Küken und Rettiche zu Fisch – oder aber Schneemännern. Besonders geeignet für Einsteiger seien Möhre, Apfel, Kürbis und Melone. »Doch es geht auch mit einer Weintraube!«
Sabine Finger wohnt seit 1981 in Grünau, besuchte die Werner-Seelenbinder-Schule im WK 5, die 89., und wollte wegen Walter Plathe und dessen Film »Puppenheim in Pinnow« beruflich was mit Tieren machen. Jetzt schnitzt oder faltet sie sie.
Ein Buch wäre ein Traum
Geo-Caching bietet die Vielseitige außerdem an sowie Kreatives Schreiben (»Worte, die schon anklopfen«). Seit ihrem 14. Lebensjahr besucht sie begeistert die Musikalische Komödie, für das Online-Magazin »Musical-Boulevard« verfasst sie Rezensionen und Künstlerporträts. Ein Buch wäre ein Traum, ein Lyrik-, Schnitz- oder Kochbuch! Immerhin ist Sabine Finger bereits in einem vertreten, der »Kulinarischen Weihnachtsreise« von Sonja Buchhop (Edition Limosa).
Manchmal wird die 47-Jährige auf der Straße von Jugendlichen gegrüßt, von Jugendlichen, die in ihrer Kindheit bei ihr Gemüse geschnitzt haben. Wer es ihnen oder den oben erwähnten Handtuch-Origami-Frauen nachtun möchte, sollte sich ins Mütterzentrum begeben, ins Kursangebot der Volkshochschulen schauen oder bei Facebook nach Sabine Finger suchen.
Bert Hähne