Im vergangenen Jahr war Beata Krasowski von der Protegat UG regelmäßig in Grünau anzutreffen. Im Auftrag der Stadt kümmerte sie sich um Zusammenhalt und Integration und entwickelte neue Veranstaltungsformate
zur Bürgerbeteiligung. Ihr Projekt lief im Dezember aus. Wir fragten nach ihren Erfahrungen und Anregungen.
Grün-AsSie haben von April bis Dezember 2018 die Koordinierungsstelle »Zusammenhalt und Integration« in Grünau betreut, Sprechzeiten im Stadtteilladen angeboten und neue Veranstaltungen,
wie die Grünauer Dialoge, das Ehrenamtscafé oder die Computerie, ins Leben gerufen. Welches Fazit ziehen Sie?
Beata KrasowskiDie Bereiche »(Gesellschaftlicher) Zusammenhalt und Integration« sind in Grünau Bestandteile bereits bestehender Formate. Jene, welche ich initiierte, orientierten sich an Bedarfen
unterschiedlicher Zielgruppen und Akteure. Ich arbeitete hierbei stets mit Kooperationspartner*innen zusammen. Auch wenn das eine oder andere Format einmal mehr und einmal weniger Interessierte anlockt, lohnt
es sich immer, etwas auszuprobieren. Neue Veranstaltungen und Angebote benötigen manchmal etwas Zeit, um sich herumzusprechen und angenommen zu werden, das ist nicht nur in Grünau so.
Grün-AsAusprobieren, gucken, wie es läuft, und gegebenenfalls Änderungen vornehmen, richtig? Welche Ihrer Veranstaltungsreihen werden weiterlaufen?
Beata KrasowskiRichtig, dies ist auch im integrierten Stadtteilentwicklungskonzept für Grünau so verankert: »Erproben neuer Formate der Bürgerbeteiligung«. Doch zu oft lässt man sich hier unter
Druck setzen und versucht, allen Anforderungen gleichzeitig gerecht zu werden. Was dann wieder dazu führt, dass man doch lieber auf bereits durchgeführte und bekannte Methoden zurückgreift und somit schwer
erreichbare Zielgruppen für die Stadtteilpolitik nicht aktivieren kann. Während unseres Tätigkeitzeitraums konnten wir eine Kochgruppe etablieren, welche auch 2019 eigenständig fortgeführt wird. Dies ist ein
Beispiel der aktivierenden Beziehungsarbeit für einen Stadtteil – ohne aufgesetzte Zielsetzung treffen sich Menschen aus der Nachbarschaft zum gemeinsamen Kochen und Essen und tauschen sich zu Themen, Problemen
und Fragen aus ihrem Umfeld aus. Außerdem wird die Computerie durch die Malteser weitergeführt. Dieses Angebot richtet sich an Menschen, die ihre Computer kenntnisse verbessern möchten.
Grün-AsEnde vergangenen Jahres bewarben Sie sich um die Übernahme des Quartiersmanagements in Grünau. Den Zuschlag erhielten die bisher Verantwortlichen. Was wäre mit Ihnen anders geworden?
Beata KrasowskiUnser Ansatz war unter anderem die intensivere Aktivierung und Begleitung von bürgerschaftlichem Engagement. Ein Quartiersmanagement kann einen wichtigen Schritt leisten, um eine
wirksame Eigenverantwortung der Bewohner*innenschaft zu wecken. Gerade weil es eine niedrigschwellige Anlaufstelle bildet und gleichzeitig eng mit den sozialen Einrichtungen im Quartier zusammenarbeitet, kann
es dazu beitragen, Engagement-Potenziale der Bewohner–*innen zu heben. Ein besonderer Stellenwert liegt dabei in der Einbindung bisher schwer erreichbarer Bevölkerungsgruppen in die laufenden Prozesse. Die
Befähigung lokaler Akteur*innen zur Selbstorganisation sollte dabei im Fokus stehen. Hierzu sollte die Methode des Community Organizing dienen. Dabei betrachten wir Community Organizing als Form politischer
Bildung. Denn die verschiedenen Prozesse sollen Bürger*innen aktivieren, sich für ihre eigenen Belange einzusetzen. Auf den Grundsätzen der Förderung der Selbstbestimmung, sozialen Gerechtigkeit und der Macht
der Solidarität wird eine dauerhafte, stabile, von vielen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen getragene Allianz etabliert. Sie dient dem Aufbau und Erhalt von sozialen Beziehungen, als Plattform aller Grünauer
Bewohner*innen und der Entwicklung einer gesellschaftlichen Position. Vertreter*innen diverser gesellschaftlicher Gruppierungen sollen dabei zu Wort kommen, unabhängig von ihrer Nationalität und
Wahlberechtigung.
Grün-AsSelbstorganisation, Einsatz für die eigenen Belange – das funktioniert doch nur, wenn es auch wirklich etwas zu bestimmen und eigene finanzielle Mittel zur Umsetzung eigener Ideen gibt,
oder?
Beata KrasowskiNein, häufig sind die Ressourcen vorhanden – das ist der Vorteil eines solch diversen Quartiers wie Grünau. Dabei meine ich jetzt nicht die Planung und Durchführung von Bauvorhaben,
sondern beispielsweise soziale und Beteiligungsprojekte, welche auch mit geringem finanziellen Aufwand zu einem großen Erfolg werden können. Die Entwicklung eines Stadtteils ist nicht allein Aufgabe der
Stadtverwaltung und Stadtpolitik. Stadtteilentwicklung ist eine dauerhafte Gemeinschaftsaufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte. Und da stimme ich zu, dass Stadtteilarbeit nicht für, sondern mit der
Nachbarschaft erfolgen sollte – und das schon in den frühen Planungsphasen. Viel zu häufig findet Bürgerbeteiligung erst statt, wenn die ersten Meilensteine bereits geplant oder sogar umgesetzt wurden. Damit
mache ich den Menschen aber was vor und demotiviere sie. Eine Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe müsste schon mit der Frage, ob etwas geändert werden soll, beginnen und nicht mit Detailfragen während der
Umsetzung. Aber hier sind auch die Bürger*innen gefragt – sie können und müssen sich Gehör verschaffen. Wir müssen wieder lernen, unsere Demokratie auch zwischen den Wahlen lebendig zu machen.