Intervallstudie 2000
Teil 6 - Image und Perspektive
Das Image eines jeden Wohngebiets unterliegt mit der Zeit etlichen Veränderungen. Wem sage
ich das ! Die älteren Grünauer erinnern sich lebhaft an »Schlammhausen«
und
»Graunau«
, aber auch an die nicht ganz neidlosen Bemerkungen lieber Freunde und Bekannten
über die neue Wohnung im neuen Haus und neuem Stadtteil.
Nach der Wende gab es für viele die Möglichkeit, eine andere Wohnung zu beziehen oder auch
ein Häuschen zu bauen oder zu mieten. Und es gibt die vielen lockenden Angebote in Hochglanz
für das »schönere Wohnen«
im Eigenheim auf der grünen Wiese mit ach so guten Kreditbedingungen.
Aus dem Neubaugebiet Grünau wurde die Plattensiedlung, aus dem neuen Wohnblock die
»Platte«
, aus dem einst so jungen Wohnviertel inzwischen das »mittelalterliche«
und aus dem Gebiet mit dem höchsten Anteil an Berufstätigen ein Wohngebiet mit nicht mehr und nicht
weniger Arbeitslosen wie in anderen Stadtgebieten auch.
Das ehemals infrastrukturell unterversorgte Neubaugebiet ist zu einem randstädtischen
Wohngebiet mit hervorragenden Einkaufsmöglichkeiten und sehr guter Verkehrsanbindung geworden,
es gibt eine neue Schwimmhalle, Gaststätten, ein kulturelles Ambiente und ein Vereinsleben,
das sich sehen lassen kann. Wenn auch nicht alle Wünsche erfüllt werden konnten, so sind die
Verbesserungen bei der Gestaltung des Wohnumfeldes, vieler Fassaden und Eingänge sowie des
geselligen Lebens unübersehbar. Die Mehrheit der Grünauer erkennt das ohne »Wenn«
und »
Aber«
an.
Leider haben aber alle Anstrengungen bisher nicht dazu geführt, Grünau aus dem Imageknick
herauszuführen: 45% der Grünauer sind sogar der Meinung, dass sich das Ansehen Grünaus nach
der Wende verschlechtert hat. Die Grünauer registrieren also, dass das Fremdbild Grünaus
weiterhin beschädigt bleibt und fühlen sich gegenüber dieser Entwicklung ziemlich ohnmächtig.
Zum Trost sei gesagt, dass es Images an sich haben, sich mit der Zeit zu verfestigen und
dann teils bewußt und teils unbewußt die Wahrnehmung z.B. eines Wohngebiets steuern. Die
jüngsten Entwicklungen könnten allerdings verhängnisvoll werden, wenn nicht energisch gegen den
»Stempel«
angegangen wird, Grünau sei »rechts«
und im Vergleich dazu sei die Randale in
Connewitz »links«
. Beides entspricht nicht der Wahrheit, denn sowohl in Grünau als auch in
Connewitz sind gewalttätige Entgleisungen seltene Ereignisse, die entsprechend geahndet werden
und keinesfalls von der Gemeinschaft geduldet werden müssen. Wegschauen und nicht zur Kenntnis
nehmen hilft dem Image wirklich nicht. In den Befragungsergebnissen finden sich allerdings
keine Hinweise auf einen »rechtsradikalen«
Trend in Grünau. Insgesamt 2 mal wird das Treiben
von Skinheads kritisch vermerkt.
Immerhin 22% aller befragten Grünauer bestätigten eine Verbesserung des Images Grünaus nach
der Wende. Dieser Durchschnittswert ergibt sich aus unterschiedlichen Einschätzungen der
einzelnen Bewohnergruppen: Während nur 18% der unter 35-Jährigen eine Imageverbesserung
erkennen, sind es 28% der über 55-Jährigen. Bei einer erst 3-jährigen Wohndauer wird übrigens
häufiger ein positives Image bescheinigt als bei einer über 10-jährigen Wohndauer. Es könnte
sein, dass die »Alt-Grünauer«
den seit der Wende entstandenen Imageverlust Grünaus schmerzlicher
erleben und folglich kritischer reagieren. Interessant ist, dass diejenigen, die die positive
Entwicklung Grünaus in den letzten Jahren vorbehaltlos anerkennen, auch deutlich häufiger
Grünau ein positives Image zuerkennen.
Trotz des Bewußtseins über das beschädigte Image Grünaus sind die Erwartungen an die künftige Entwicklung (bis ungefähr 2005) vorwiegend positiv: Rd. 33% erwarten eine positive Entwicklung (die Optimisten), 32% denken, dass sich nicht viel verändern wird (die Skeptiker), 12% erwarten eine negative Entwicklung (die Pessimisten), 21% konnten oder wollten die Perspektive Grünaus nicht beurteilen und rd. 2% haben die Frage nicht beantwortet (die Meinungslosen). 33% Optimisten stehen also nur 12% Pessimisten gegenüber, das ist zwar kein blendendes, aber ein Ergebnis, welches Hoffnung signalisiert.
Jüngere Grünauer sind also besonders skeptisch und ältere Grünauer besonders erwartungsvoll,
ein Trend, der auch in anderen Zusammenhängen zum Tragen kam. Jüngere sehen zur Zeit generell
seltener in Grünau, in Leipzig oder Sachsen ihre persönliche Perspektive, sind sowieso mobiler
und auch räumlich auf der Suche. Auch in den Einkommensgruppen sind die Optimisten
unterschiedlich häufig vertreten: Bis zum monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 4000 DM (2045
Euro) steigt der Anteil der Optimisten auf 37%, über 5000 DM (2556 Euro) monatlich sinkt er
wieder ab. Arbeiter und Rentner sind deutlich optimistischer als Auszubildende oder Studenten
bzw. leitende Angestellte. Der Anteil der Skeptiker (Antwort: »es wird sich nicht viel
verändern«
) ist am größten bei den Haushalten mit 2 Kindern. Fast selbstverständlich erscheint
der Zusammenhang von optimistischer Perspektive und der festen Absicht, in Grünau wohnen zu
bleiben. Bei den Auszugswilligen ist der Anteil mit negativer Perspektive für Grünau wesentlich
höher. Verallgemeinernd heißt das, wer Grünau akzeptiert hat auch positive Erwartungen an die
Zukunft des Stadtteils!
Zum Schluß möchte ich Ihnen noch einen Einblick in die Ergebnisse der »Meinungsliste«
über
Grünau geben. Sie erinnern sich vielleicht: Wir hatten 24 Aussagen über Grünau zusammengestellt
und wollten wissen, ob Sie diesen Aussagen zustimmen oder nicht. Die Ergebnisse sind
ambivalent, vermitteln aber insgesamt ein positives und gerechtes Selbstbild über Grünau.
Nochmals vielen Dank für Ihre Mitwirkung an der 7. Befragung zum Wohnen in Grünau!
Aussage | keine Antwort | Zustimmung |
(Angaben in Prozent) | ||
Man kann in Grünau gut einkaufen | 2,9 | 87,8 |
Sanierung und Modernisierung machen Grünau schöner | 3,6 | 84,9 |
Die alten Grünauer hängen an Grünau | 7,9 | 69,8 |
Außer Kino und Schwimmhalle ist hier nicht viel los | 6,8 | 64,2 |
Unser Wohnumfeld ist schöner geworden | 3,6 | 60,5 |
Ordnung, Sicherheit, Sauberkeit lassen zu wünschen übrig | 4,5 | 60,5 |
Es ziehen zu viele Störenfriede nach Grünau | 7,1 | 60,0 |
Grünau ist ein familienfreundlicher Stadtteil | 7,7 | 57,3 |
In Grünau wohnt man besser als in Leipziger Altbaugebieten | 3,6 | 54,3 |
Man könnte ruhig ein paar Wohnblöcke abreißen | 7,0 | 51,8 |
In Grünau leben alle Generationen gut zusammen | 7,3 | 51,1 |
Grünau lädt zum Spazierengehen ein | 4,8 | 47,5 |
Wenn ich mehr Geld hätte, würde ich wegziehen | 8,0 | 47,2 |
Grünau ist ein kinderfreundlicher Stadtteil | 9,7 | 46,4 |
Hier gibt es nicht mehr Kriminalität als anderswo | 4,8 | 44,7 |
Grünau ist ein seniorenfreundlicher Stadtteil | 9,3 | 43,0 |
Unser Vermieter gibt sich viel Mühe mit uns | 5,5 | 41,1 |
Grünau ist ein behindertenfreundlicher Stadtteil | 13,6 | 40,6 |
Schulen sollten als Treffpunkte für alle genutzt werden | 14,5 | 37,4 |
Ausländische Mitbürger sind in Grünau willkommen | 8,9 | 22,8 |
Das soziale Milieu ist in Ordnung | 3,4 | 21,6 |
In Grünau gibt es jede Menge Vereine - für jeden etwas | 12,5 | 14,1 |
Wilde Graffiti finde ich nicht so schlimm | 5,2 | 13,0 |
Jugendliche wollen gern hier wohnen bleiben | 18,0 | 12,3 |
Prof. Alice Kahl führte im Jahr 2000 die Studie zum Leben in Grünau fort. Grün-As veröffentlichte 2000 und 2001 insgesamt sechs Artikel mit den Ergebnissen der Studie:
Ausgewertet Es geht aufwärts! Wer bleibt - wer geht? Ein guter Nachbar Wohnwünsche Image & Perpektive
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